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Friedensforscher wollen „Blauhelme plus“

Forschungsinstitute stellen Friedensgutachten 1993 vor / Reform der Vereinten Nationen dringend angemahnt / Militärische Maßnahmen nur als letztes Mittel anwenden  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Die Bundesrepublik muß in der Lage sein, sich mit gleichen Rechten und Pflichten wie jeder andere Staat auch an militärischen Maßnahmen kollektiver Sicherheit zu beteiligen. Dieses prinzipielle Ja knüpfen die Autoren des Friedensgutachtens 1993, das gestern in Bonn vorgelegt wurde, jedoch an strenge Maßstäbe.

Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute beklagen, daß sich die außenpolitische Debatte auf die Aufgaben der Streitkräfte verengt habe, die Orientierung am Ziel einer Zivilisierung der internationalen Beziehungen drohe verlorenzugehen. Ohne ein Konzept zur Förderung des Friedens in der Welt und in Europa bleibe die „neue Verantwortung Deutschlands“ eine „Phrase“. Gert Krell von der federführenden Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) trug als erste Empfehlung des Gutachtens vor, Deutschland müsse sich „zum Vorreiter einer Stärkung und Reform der Vereinten Nationen machen, anstatt sich nur um die privilegierte Teilhabe an alten Strukturen zu bemühen“.

Diese Reform schließt für die Friedensforscher ein, daß die Vereinten Nationen über Kontingente zur Friedensdurchsetzung verfügen. „Zu den Aufgaben solcher Streitkräfte würde es gehören, Waffenstillstände und Verhandlungen gegen Gewaltanwendung abzusichern oder humanitäre Hilfe ... auch gegen Widerstände durchzusetzen.“ Für internationale Beteiligung der Bundeswehr in diesem Rahmen – oder im Rahmen eines noch zu schaffenden europäischen Sicherheitssystems – empfiehlt das Gutachten eine Verfassungsänderung; mögliche Einsätze müßten zudem an eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments gebunden sein.

Egon Bahr, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH): „Was uns vorschwebt, Blauhelme plus, wäre eine ganz andere qualitative Form von Streitkräften.“ Der Vater der sozialdemokratischen Entspannungspolitik erwartet im Gefolge des Somalia-Einsatzes eine breite internationale Diskussion. Hier seien die Auswirkungen globaler Entwicklungen – Dürre, Hunger – in Krieg umgeschlagen, und die UNO fände sich durch ihr Bemühen um humanitäre Hilfe als Partei im Bürgerkrieg wieder.

Das selbst streng begrenzte militärische Maßnahmen nur letztes Mittel sein können, bleibt Konsens unter den Forschungsinstituten, die – wie Krell einräumte – nach dem Ende des Ost-West-Konflikts durchaus Kontroversen über die Rolle von Streitkräften auszutragen haben. So blieb ein Vorschlag des Gutachtens unter den drei Instituten strittig: die Ausweitung des Schutzzonenkonzepts und eine drastische Aufstockung der UNO- Truppen in Bosnien. „Keine sichere Gewähr gegen eine Verlängerung des Krieges“, soweit die pessimistische Einigkeit bei der Beurteilung humanitär motivierter militärischer Intervention. „Nach meinem persönlichen Eindruck“, meinte Krell, „wird der Zwang, die Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung auszuweiten und gegebenenfalls militärisch abzusichern, eher noch zunehmen.“ Den Krieg in Ex-Jugoslawien sieht das Gutachten an der Spitze der negativen Entwicklungen. Ohnehin: Im Vergleich zur „Aufbruchstimmung“ von 1989 seien die Erwartungen „dramatisch zurückgegangen“.

Das Gutachten ist das siebente, das die HSFK, die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) und das IFSH zusammen erarbeitet haben.

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