Sonderkommission aus zwei Beamten

■ Unglaubliche Ermittlungspannen bei der Suche nach den Brandstiftern der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen

Potsdam (taz) – Das polizeiliche Ermittlungsverfahren gegen die Brandstifter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen erweist sich als immer abenteuerlicher. Dies wurde gestern, am zweiten Verhandlungstag gegen die mutmaßlichen Täter Thomas H. und Ingo K. vor dem Potsdamer Bezirksgericht, deutlich.

Der großen politischen Brisanz des Anschlags folgend, wurde kurz nach der Tat, am 25.9.92, eine fünfzehnköpfige Sonderkommission (Soko) der Polizei Oranienburg eingesetzt. Nach knapp drei Monaten, es gab noch immer keinen konkreten Tatverdächtigen oder Hinweise, wurde die Soko auf ganze zwei Polizeibeamte runtergefahren: den Beamten Thiel und den Anfänger Schatz, der nach eigener Aussage kaum Erfahrung mit Ermittlungsverfahren und Verhören hat. „Es hat damals nicht mehr soviel zu tun gegeben“, begründete Thiel die Reduktion.

Wie die taz bereits gestern berichtete, wandte sich Thomas H. Anfang Januar an den Prenzlauer Polizeibeamten Noreko und bezichtigte Ingo K. der Tat. Der Polizeibeamte sicherte dem Informanten Vertraulichkeit zu, obgleich diese Zusage lediglich nach Rücksprache mit dem Innenministerium möglich gewesen wäre. Staatsanwaltschaft und Gericht gingen vor Prozeßbeginn davon aus, daß dieser erste Kontakt in einer Gaststätte stattgefunden hätte. Noreko sagte jetzt vor Gericht aus, daß der Hinweis im Polizeipräsidium Prenzlau gegeben wurde. Der Zeuge, der sich während seiner Aussage zweimal versprach und schließlich doch die Gaststätte als Hinweisort nannte, wurde vereidigt. Es dauerte dann einen ganzen Monat, bis die beiden zuständigen Beamten der Soko Thomas H. verhörten.

Der Beamte Schatz gab vor Gericht an, daß er der Aussage von Thomas H. damals „nicht so Glauben geschenkt hatte“. Schatz, der sich während des Verhörs keine Notizen gemacht hatte, zeichnete schließlich verantwortlich für das erst zwei Tage später erstellte Protokoll. In diesem Protokoll wird angegeben, daß Thomas H. schriftlich vorgeladen wurde. Der Angeklagte H. streitet dieses jedoch ab. Ein entsprechender Brief wurde nicht gefunden.

Nach weiteren eineinhalb Monaten wurde K. eine erste Vorladung nach Prenzlau zugesandt, obgleich Thomas H. dem Polizeibeamten die aktuelle Berliner Anschrift seines Freundes genannt hatte. Nach einer weiteren Woche schließlich wurde die zweite Vorladung an die aktuelle Berliner Adresse gesandt.

In seiner Aussage bezichtigte K. schließlich Thomas H., an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Gegen Thomas H. war zuvor nichts ermittelt worden. Zudem gab K. an, daß weitere fünfzehn Skins an der Tat beteiligt gewesen seien. Diese wurden bisher nicht ermittelt. Die Soko, die dem Polizeipräsidenten Oranienburgs untersteht, wurde inzwischen aufgelöst.

Brandgutachten entlastet die Angeklagten

Eine überraschende Wende nahm das Verfahren gestern nach der Aussage des Brandsachverständigen Hans-Joachim Nachtweh. Es sei vom Brandbild „absolut auszuschließen“, daß der Brandanschlag mit Molotowcocktails verübt wurde, sagte er vor dem Gericht. Das Feuer sei seiner Ansicht nach durch offene Flammen ausgelöst worden.

Beide Angeklagten hatten in ihrer ersten Aussage, die sie inzwischen widerrufen haben, angegeben, den Brandanschlag mit Molotowcocktails verübt zu haben. Die Anklage hatte sich bisher ausschließlich auf diese Aussagen gestützt. Nachtweh sagte zudem aus, daß der Brandanschlag nicht vor 0.45 Uhr verübt worden sei. Die Angeklagten hatten angegeben, um 23.45 Uhr die Molotowcocktails auf die Baracke geworfen zu haben. Das Brandgutachten lag dem Gericht bereits seit dem 1.November 1992 vor.

Der Pflichtverteidiger Klaus Wendland sagte gegenüber der taz: „Das Geständnis kann nicht wahr sein. Hier wurde nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Energie gearbeitet.“ Wendland geht davon aus, daß das Verfahren am Dienstag ordentlich beendet wird. „Und das kann nur der Freispruch sein.“ Anja Sprogies