piwik no script img

Terror-Fahnder vergeigten ihren Coup

■ Der Dritte Mann ist ein übergelaufener RAF-Unterstützer, der versehentlich verhaftet wurde

Berlin (taz) – Der seit der Anti-RAF- Aktion in Bad Kleinen spurlos verschwundene „Dritte Mann“ sollte den Ermittlungsbehörden dabei helfen, nicht nur die mutmaßlichen Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams, sondern die gesamte Kommandoebene der RAF zu verhaften. Diese plausible Version der Vorgeschichte der katastrophalen Verhaftungsaktion präsentierte gestern das NDR-TV-Magazin „Panorama“. Seine versehentliche Verhaftung bei der blutigen Polizeiaktion vom 27. Juni in Bad Kleinen war nach Panorama-Recherchen offenbar eine weitere schwere Panne der Sicherheitsbehörden.

Der Dritte Mann, alias „Klaus“, dessen voller Name und Adresse in Wiesbaden der Panorama-Redaktion bekannt sind, war demnach eine sogenannte „Nahtstellen-Person“. Er gehörte zu dem Kreis von aktiven Unterstützern, der für die RAF Wohnungen und Wagen anmietete und Informationen über mögliche Anschlagopfer sammelte. Bei dieser Unterstützung der RAF-Kommandoebene baute er möglicherweise ein Vertrauensverhältnis zu Birgit Hogefeld auf.

Klaus lief dann offenbar über, offenbarte sich dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz und verpflichtete sich auch zur Zusammenarbeit. Bei hochkonspirativen Treffs – unter anderem in Paris und in verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz – mit Birgit Hogefeld soll der V-Mann dann erfahren haben, daß mehrere RAF-Kommandomitglieder planten, in Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam Urlaub zu machen. Damit lieferte er die Information, die schließlich zu dem mißglückten Einsatz von Bad Kleinen führte.

Für diesen Einsatz war vereinbart worden, daß der Zugriff von GSG 9 und BKA- Beamten so organisiert werden sollte, daß V-Mann Klaus eine nach außen glaubwürdige Chance zur Flucht erhielt, um sofort wieder in das RAF-Umfeld abzutauchen. Man versprach sich davon weitere Zugänge zu anderen gesuchten RAF-Mitgliedern der Kommandoebene. Aus diesem Grunde wurde bewußt darauf verzichtet, Grams und Hogefeld schon im Bahnhofs- Café von Bad Kleinen festzunehmen, weil es dort keinen Fluchtweg für V-Mann Klaus gegeben hätte. Daß er beim späteren Zugriff und bei der Schießerei in der Bahnhofsunterführung schließlich doch verhaftet und gefesselt wurde, war eigentlich nicht eingeplant. Sicherheitsexperten haben im nachhinein nur die Erklärung, daß es zur Festnahme keine glaubwürdige Alternative mehr gab oder daß mangels Absprachen unter den Einsatzkräften den Sicherheitsbehörden eine weitere Panne passiert sein muß.

Trotz dieses Fehlers versuchten die Sicherheitsbehörden zunächst, die Festnahme des Dritten Mannes zu vertuschen. Dafür setzten sie unter anderem Legenden von Hubschrauber-Verfolgungen in die Welt. Tatsächlich aber hatten sie den V-Mann längst wieder freigelassen, damit er erneut in das RAF-Umfeld abtauchen konnte. Dies hat er für wenige Tage sogar getan. Erst als Birgit Hogefeld ihre Mutter um die Vermittlung eines Rechtsanwalts für ihren vermeintlichen Kampfgenossen Klaus bat, weil sie gesehen hatte, daß der festgenommen worden war – und dies über eine Zeitung an die Öffentlichkeit kam –, war die Fluchtlegende nicht mehr aufrechtzuerhalten. Aus Furcht um sein Leben mußte sich V-Mann Klaus sofort aus den RAF-Kreisen zurückziehen. Unter dem Schutz der Sicherheitsbehörden hält er sich jetzt an einem unbekannten Ort auf.

Inzwischen soll Klaus auch von RAF- Unterstützern identifiziert worden sein. Diese wollten aber immer noch nicht wahrhaben, daß er mit dem „Staatsschutz“ zusammengearbeitet habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen