: Eine GAL mit Herz und Schmerz
■ Die GAL-Wahlkampfstrategie setzt auf das grüne Herz in uns allen, und eine Werbeagentur entdeckt die „weibliche Seele der GAL“ Von Florian Marten
Mit einem grünen Herzen, grünen Texten und einem Etat von 500.000 Wahlkampfmark zieht der runderneuerte Bandwurm „Bündnis 90/GAL/Die Grünen“ in den Wahlkampfsommer 1993. Nach anfänglicher Skepsis über das schmu-sige Herz und den Verzicht auf traditionelle Symbole stimmten Wahlkampfkommission und Landesvorstand einem Konzept zu, welches - erstmals in der Geschichte der GAL - von einer Werbeagentur stammt.
Werbeprofi Andreas Esser verriet gestern bei der Präsentation der Kampagne im schnieken Bleichenhof sein Geschäftsgeheimnis: „Um ein Produkt zu verkaufen, muß man seinen Kern identifizieren.“ Gesucht - gefunden: „Die Grünen“, so weiß Esser dank ausgefeilter Imageanalysen, „sind ein einzigartiges Produkt.“ Denn: „Während die anderen Parteien für männliche Eigenschaften wie Macht und Korruption stehen, hat die GAL eine weibliche Seele. Sie steht für eine andere Politik. Im Kern ist jeder Mensch ein Stück grün.“ Die Strategie setzt auf eine neue Verbindung von Herz und Verstand. Der Appell an das grüne Gewissen in uns (grünes Herz) wird mit Texten verbunden, welche die „politischen Facetten der Grünen“ auffächern sollen. Sachakzente will die GAL in der Verkehrspolitik, beim Thema „Einwanderungsstadt Hamburg“ und beim SPD-Evergreen „soziale Gerechtigkeit“ setzen.
GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager in ihrem dezenten Leinenkostüm, speziell ausgewählt für die Fotoredaktion des Hamburger Abendblattes, kokett über den neuen grünen Stil: „Herz - das ist etwas Neues für die GAL.“ Mit dem „Kleinen Prinz“von Saint-Exupery verrät sie uns: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Krista Sager: „Wir wissen heute zu viel und setzen es nicht in Politik um.“ Aber, so freut sie sich: „Immer mehr Menschen sehen mit dem Herzen.“
Damit umgekehrt mehr Menschen das GAL-Herz sehen, wird erst Ende August werbemäßig so richtig zugeschlagen. An die diversen Vorschläge zur Wahlkampfselbstbeschränkung will sich die GAL dabei nicht binden. Bürgerschaftskandidat Alexander Porschke: „Unser .Wahlkampfkonzept ist doch bereits eine einseitige Abrüstung“. Das Gezerre um einen Verhaltenskodex sei Wahlkampfstrategie: Die CDU will Stellschilderorgien ausbremsen, weil die SPD das am billigsten hinkriegt. Die SPD will Kinospots verhindern, weil das kostet und ihr wenig bringt.
Um so mehr bringen GAL-Stimmen der Agentur Esser: Nach tazInformationen haben sich die Grünen verpflichtet,der Agentur für jedes Zehntel-Prozent oberhalb von 10 Prozent Bonusprämien zu zahlen. Ein Deal, der sich politisch und finanziell rechnet: Bei grünen 10 Prozent ist eine absolute Mehrheit für die SPD praktisch ausgeschlossen. Und: Je mehr Stimmen, desto mehr Wahlkampfkostenerstattung - den Bonus zahlt der Wähler.
Eine ganze Gruppe einsamer Herzen sorgt bei der grünen Wahlkampfführung jedoch noch für Sorgen: Die grüne Basis muß das neue Konzept noch begreifen, schlucken und dann lieben lernen. Ein Insider: „Die Partei muß das mittragen, sonst wird es schwer.“ Einige Bezirke drückten schon im Vorfeld der Entscheidung ihr tiefes Entsetzen über die herzige GAL aus. Der Extra-Topf von 70.000 DM für bezirklichen WahlkämpferInnen soll diese Schmerzen lindern und wenigstens ein kleines bißchen Nostalgiewahlkampf ermöglichen.
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