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Verbaler Schnellimbiß

■ Eine Ausstellung gegen Ausländerfeindlichkeit in der Villa Ichon

Verbaler Schnellimbiß

Eine Ausstellung gegen Ausländerfeindlichkeit in der Villa Ichon

Ausländerfreundlich? Ja! Aber... Das Wort ABER ist die Mauer im Kopf“ steht rot auf weiß auf dem Sandwich. Verbaler Schnellimbiß für die Straße. Und „Maulaufreißer“ im Kampf gegen das aber. Woche für Woche schultern sich engagierte BremerInnen solcherart Sandwich-Plakate und stellen sich damit auf den Marktplatz zur Mahnwache.

Diese Sandwiches von Richard Modemann „gegen Rassismus, Faschismus und Krieg“ hängen zur Zeit in der Villa Ichon an den Wänden. Zusammen mit Portrait-Fotografien von ausländischen BürgerInnen, die Heiko Wegener aufgenommen hat. „Kontakte“ nennt sich die Ausstellung und das Anliegen.

Fragen Sie nicht, wohin ein Flüchtling flieht — fragen Sie, woher er kommt. Heiko Wegener, Politik-Ressortchef beim Bremer Weser-Kurier, zeigt Fotografien, die in den Jahren 1985 bis 1992 während zahlreicher Reisen durch Europa entstanden sind: Menschen und Landschaften in der Türkei, Westanatolien und Izmir, in Griechenland, dem ehemaligen Jugoslawien und der Toscana, auf Elba und Fuerteventura. Eine Marktfrau knieht mit ihren Kräutern auf der Straße in gleißender Sonne, eine Gruppe türkischer Mädchen und Jungs sitzt auf einer Hausbank in Positur, eine typische Momentaufnahme zeigt spanische Fischer im Hafen.

Gesichter und Augenblicke, die wir alle schon einmal selbst gesehen und erlebt haben. Oft gehen sie über den touristischen Blick, den das Andere anzieht, nicht hinaus. Heiko Wegener bildet nur ab, läßt Gesichter sprechen, zeigt Lebenszusammenhänge und wirbt so für eine weniger voreingenommene Wahrnehmung, die soweit reichen soll, daß die Bürger Europas auch als Neubürger in Deutschland akzeptiert werden.

Rassismus tötet — Schweigen auch. Einige BremerInnen von der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft, von amnesty international und den Freunden und Förderern der Villa Ichon, schlüpfen dafür in die Sandwiches und tragen ihr Bewußtsein und ihr Mahnen offen zur Schau. Die Sandwich-Plakate von Richard Modemann, der selbst ein Mitarbeiter der Villa Ichon ist, machen den Mund auf, prangern den Rechtsruck an, provozieren, verurteilen die Ignoranz der PolitikerInnen. Wer sich mit ihnen schmückt — geschützt nur durch ein Stück Pappe — macht sich zur Zielscheibe aufgewühlter Passanten.

So geschehen bei einer Mahnwache Anfang April diesen Jahres auf dem Bremer Marktplatz, als zugleich Bremens Polizei gegen die Vorwürfe von Folterungen in Wache drei demonstrierte. Fotos und eine kleine Legende dokumentieren die Aufgebrachtheit und den Haß der Leute an jenem Samstag.

Für die Sandwiches ist die Ausstellung nicht der eigentliche Zweck, sondern eine Art Zwischenstation, ehe sie wieder auf die Straße gehen werden. Solange sind sie ein wichtiges Signal für die vielen (ausländischen) BesucherInnen der Villa Ichon und allen anderen schmerzende Nadelstiche. Ein letztes Zitat an dieser Stelle, das über der Toilette hängt: Jeder Krieg ist ein Durchfall der Vernunft. sip

Kontakte: Villa Ichon, noch bis 30. Juli. Mo-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-13 Uhr.

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