Die Ware „Risiko“ wird zum Ladenhüter

■ Trabrennbahn Mariendorf mit Millionen-Verlusten / Programmzeitschrift gekündigt

Die Ware „Risiko“ wird zum Ladenhüter – zumindest im Berliner Trabrennsport. Pferdenarren riskieren weniger, und so sank der Umsatz auf der Trabrennbahn Mariendorf in den vergangenen vier Jahren um neun Millionen Mark. Der Umsatzrückgang ist für den Trabrennverein Mariendorf, der 1989 über knapp 50 Millionen Mark Einnahmen verfügte und dieses Jahr wahrscheinlich nur noch 41 Millionen Mark einnehmen wird, eine Menge Schotter. Inzwischen mußten von 50 Festangestellten und 100 Teilzeitkräften an die zehn Pförtner, Hof- und Hilfsarbeiter entlassen werden, bestätigte der Betriebsrat.

Da stellt sich nun die Frage, ob die Millionenverluste zu verhindern gewesen wären oder der Rennverein wirtschaftliche Fehlentscheidungen getroffen hat. An der Suche nach den Ursachen hatte sich jahrelang das ausschließlich auf der Trabrennbahn Mariendorf erscheinende Programmheft Traber aktuell beteiligt. Hatte – denn in der vergangenen Woche kündigte der Trabrennverein den Exklusivvertrag fristlos. Eine bereits gedruckte Ausgabe durfte nicht mehr verkauft werden. Axel Scherff, Geschäftsführer des Rennvereins, begründete die Kündigung damit, daß der Verlag seit vier Jahren Papier zu teuer berechne. Weil Traber aktuell aber weder die für den Verein nicht nachvollziehbaren Mehrkosten klären, noch die Differenz, die sich inzwischen auf insgesamt 160.000 Mark belaufen soll, zurückzahlen wolle, habe man sich von dem Programmheft trennen müssen, sagte Rennsekretär Walter Engbring der taz.

Verlagsleiter Norber Häsen weist den Vorwurf, Hochglanzpapier zu teuer berechnet zu haben, zurück. Auch habe er der Geschäftsführung ein „klärendes Gespräch“ angeboten, doch diese sei nicht auf das Angebot eingegangen. Traber aktuell-Redakteur Harry Nutt vermutet, daß es bei der Kündigung gar nicht um Geld gehe, sondern um die kritische Berichterstattung. Traber aktuell hatte des öfteren bemängelt, daß Pferdebesitzer und Wetter nicht angemessen bedient würden, auf Grund schlechter Präsentation zahlungskräftige Sponsoren abgesprungen seien, der Vorstandsvorsitzende zu oft gewechselt habe und mit dem Wegfall des international besetzten „Matadorenrennens“ die Trabrennbahn Mariendorf zur Provinzbahn verkomme.

In der bereits gedruckten Ausgabe berichtet Traber aktuell über eine für Geschäftsführer Scherff unangenehme Geschichte. Der Vereinsvorsitzende hatte sich im Frühjahr angeboten, den scheidenden Geschäftsführer kommissarisch und ehrenamtlich zu vertreten, bis ein neuer Nachfolger gefunden wird. Dann erfuhr Traber aktuell zufällig, daß Scherffs Halbtagsjob seit Monaten honoriert wird – von etwa 9.000 Mark monatlich ist die Rede. Die Honorierung wird von Redakteur Nutt gar nicht bemängelt, wohl aber, daß weder die 75 Vereinsmitglieder noch die Zeitung über die Bezahlung des als ehrenamtlich angekündigten Jobs informiert wurden.

Aufsichtsratsmitglied Klaus- Volker Stolle rechtfertigte gegenüber der taz diese zurückhaltende Informationspolitik. Über die Aufwandsentschädigung sollte auf einer ordentlichen Mitgliederversammlung informiert werden, eine außerordentliche Versammlung rufe man für solch ein Thema nicht ein.

Zumindest eine kurze Mitteilung an Traber aktuell wäre vermutlich besser gewesen. Denn selbst Pferdebesitzer bezeichnen die Geschichte als „mittelgroßen Eklat“. Rennstallbesitzer Gregor Wittig hat ebenfalls nichts dagegen, daß sich der Geschäftsführer „Geld aus der Kasse nimmt“ – doch sollte dieser dann vorher nicht von ehrenamtlicher Arbeit reden. Wittig ist mit der Entwicklung auf der Trabrennbahn nicht zufrieden. Auf Grund der Umsatzeinbußen seien die Renndotationen um ein Viertel gefallen. Von den Preisen könne man kaum das Futter für die Pferde bezahlen. Er habe „die Schnauze voll“ und seinen Bestand von einst etwa 50 Pferden auf vier reduziert.

Trabrennbahn-Chef Scherff dementierte gegenüber der taz, daß die Kündigung von Traber aktuell mit dessen Berichterstattung zu tun habe. Gelesen hat er die Hefte aber offenbar recht aufmerksam. Denn um aus der wirtschaftlichen Misere herauszukommen, will Scherff den Service für Zuschauer verbessern, intensiv mit Sponsoren reden und verstärkt mit den Medien zusammenarbeiten. Dirk Wildt