■ Die Gefahr wächst: Flics jagen Farbige
Die republikanische Polizei in Frankreich hat noble Prinzipien. Ihr Ideal ist, individuelle und kollektive Freiheiten zu sichern. Sie soll die Bürger schützen. Doch von diesen Idealen ist sie weit entfernt. Die Republik steckt in der Krise. Und die Ursachen dieser Krise, nämlich die sozialen Probleme, sind seit viel zu langer Zeit nicht behandelt worden.
Statt dessen sucht man Sündenböcke. Und die findet man in den benachteiligten Bevölkerungsschichten; das sind insbesondere die Farbigen. Im Alltag äußert sich das in Personenkontrollen, in Schlägen, im Duzen.
Dabei sind die PolizistInnen nicht nur Ausführende einer von den politischen Führern definierten Politik. Vielmehr sind sie Ausdruck einer Ideologie und nicht von Recht und Gesetz. Die Polizei sorgt dafür, daß ständige Kontrollen zum Alltag der farbigen Jugendlichen und auch der Erwachsenen gehören.
Die jüngste Debatte des Parlaments über „präventive“ Identitätskontrollen war eine scheinheilige Auseinandersetzung. Denn diese Kontrollen hat es schon immer gegeben, und juristischer Einspruch war verwaltungsmäßig so schwierig, daß er oft zu nichts führte. Aber das Schlimmste ist, daß diese Kontrollen die menschliche Würde mißachten. Sie werden oft von Ohrfeigen begleitet, die Kontrollierten werden geduzt. Besonders frustrierend ist, daß diese Polizisten uns oft haben aufwachsen sehen. Es sind dieselben, die uns über die Straße geführt haben, als wir noch zur Schule gingen. Sie kennen also unsere Identität ganz genau. Und jetzt sollen sie uns danach fragen? Wonach suchen sie? Es versteckt sich nicht hinter jedem Schwarzen ein Drogenverkäufer. Es geht also um reine Provokation. Natürlich: Es gibt Kriminalität. Eine genetische Veranlagung zur Kriminalität aber gibt es nicht.
Einen echten Dialog mit der Poizei einführen? Ja, aber nur von gleich zu gleich. Es ist unerträglich zu wissen, daß der Polizist, der die 15jährige Malika getötet hat, nicht einmal einen Tag im Gefängnis sitzen mußte. Und es ist auch unerträglich, daß die unformierten Mörder von Malik Oussekine nur zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurden. Wir sind Bürger, die wissen, daß das Leben eines jeden von uns nur an einem seidenen Faden hängt.
Seitdem die Rechte an der Macht ist, haben sich die Dinge verschlimmert. Die Regierung Balladur versucht nicht, die Probleme zu regeln, sondern sie verschärft sie. Sie hat Gesichtskontrollen zum Gesetz gemacht, und sie hat mit Charles Pasqua einen Mann zum Innenminister gemacht, der Härte zum Prinzip erkoren hat. Seit seiner Ernennung sind vier Jugendliche den „Ausrutschern“ von Polizisten zum Opfer gefallen, die den Finger am Abzug hatten. Die Polizisten fühlen sich durch ihn geschützt. Die Jagd auf farbige Jugendliche ist das Ergebnis.
Wir wollen den Dialog mit der Polizei soweit wie möglich fördern und versuchen, uns gegenseitig zu verstehen. Aber unsere Würde darf nicht verletzt werden. Nasser Ramdan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen