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Einkaufszentren auf der grünen Wiese

■ Einzelhandel befürchtet Entstehen eines Speckgürtels rund um die Stadtgrenzen / Allein im Norden von Berlin sind drei Projekte geplant / Baunutzungsordnung wird in Brandenburg nicht angewendet

Das Brandenburger Planungsrecht kann das baldige Ende von einigen hundert Berliner Einzelhändlern bedeuten. Denn was in Hamburg, Frankfurt/Main oder München nicht erlaubt wird, darf im Land Brandenburg umgesetzt werden – der Bau großflächiger Einkaufszentren. Alle Versuche, in Berlin solche Projekte zu bauen, wurden bisher unter Hinweis auf die Baunutzungsverordnung verhindert. Nun sieht sich der Handel von gewaltiger Konkurrenz im „Speckgürtel“ rund um die Hauptstadt bedroht.

Auf der „grünen Wiese“ entstehen ein Dutzend solcher Projekte mit gut 500.000 Quadratmetern Verkaufsfläche. Mehr als 60.000 Quadratmeter werden von SB- Warenhäusern betrieben, die das Sortiment des klassischen Einzelhandels anbieten. „Die Ansiedlungen könnten die mögliche Pleite für viele Lebensmittelhändler, Bäcker, Schuster oder Reinigungen in den Berliner Randbezirken und in Brandenburg sein“, befürchtet Horst Faber, Vorsitzender des Landesverbandes des Lebensmittelhandels Berlin-Brandenburg. Einige tausend Arbeitsplätze seien in Gefahr. Nach einem Händlersterben gebe es kaum alternative Arbeitsplätze. Eine Stelle im SB-Markt entspreche drei Stellen im klassischen Einzelhandel.

Allein nördlich von Berlin sind drei Einkaufszentren geplant. In Eichstädt (Kreis Oranienburg) an der Autobahn rund 50.000 Quadratmeter, im einen Kilometer entfernten 600-Seelen-Ort Germendorf 10.000 Quadratmeter und zwei Kilometer weiter nochmals 2.000 Quadratmeter, listet der Verband auf. „Dort leben nur 10.000 Menschen. Also können die Zentren leicht den gesamten Berliner Norden mitversorgen“, weiß Faber.

Es ist mit einem „Einkaufstourismus“ vor die Tore der Stadt zu rechnen. Es folgt die Gastronomie, eventuell wird noch eine Kegelbahn gebaut. Folge: Die Händler erzielen keine kostendeckenden Umsätze mehr. Nach Verbandsberechnungen sind allein in Tegel- City bei 500 Händlern 4.000 Arbeitsplätze gefährdet. In der gesamten Region wesentlich mehr. Im Süden, Westen und Osten der Stadt zeichne sich die gleiche Entwicklung ab.

Möglich ist dies, da die für die alten Bundesländer geltende Baunutzungsverordnung in Brandenburg nicht angewendet wird, kritisiert der Verband. Sie war zum Schutz des Handels 1977 erlassen worden. Die Eröffnung neuer Großprojekte ist durch strenge Auflagen erschwert. Wenn die Geschoßfläche 1.200 Quadratmeter überschreitet, seien schädliche Umwelteinwirkungen, Auswirkungen auf Infrastruktur, den Verkehr sowie Versorgung der Bevölkerung anzunehmen, heißt es im Gesetz.

„Flexible Ladenschlußzeiten sind ein Weg zur Existenzsicherung“, meinen die Lebensmittelhändler. Die Politik sollte aber schnell reagieren. Denn Faber sieht schon das nächste Problem kommen: „Wenn die Zentren nicht florieren, werden die Betreiber alle Hebel in Bewegung setzen, um auch am Sonntag öffnen zu können.“ Das bedeute dann das totale Ende für mittelständische Händler. Beispiele dafür gebe es genug. Thorsten Gehrke (dpa)

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