: Der Kampf gegen das Kali-Kartell
Der Hungerstreik in Bischofferode geht weiter: Mittlerweile sind über 40 Bergleute, fünf Frauen, ein Rentner aus Berlin und ein Pastor aus Rheinhausen in Bischofferode im Hungerstreik ■ Von Helmut Höge
In der Auseinandersetzung um die Schließung des Kaliwerkes Bischofferode im Zuge der Fusion mit dem westdeutschen Konzern BASF/Kali+Salz ist die thüringische Landesregierung erneut umgekippt: Nachdem Ministerpräsident Vogel den hungerstreikenden Kali-Kumpeln erst die Beendigung ihres Kampfes empfohlen hatte: „Wir brauchen gesunde Männer für den Aufbau“, und sich dann auf ihre Seite stellte: „Wir werden Ihre Kartellklage in Brüssel und Berlin unterstützen und den Fusionsvertrag noch einmal prüfen lassen,“ geht es der Erfurter Landesregierung nun wieder primär um Ruhe in der Region Eichsfeld: „Wir sichern Ihnen 700 Ersatzarbeitsplätze über 1995 hinaus“. Dieses Angebot lehnten die Kali-Kumpel ab. Währenddessen fordert die IG Bergbau und Energie in ganzseitigen Anzeigen in Thüringen „ihre“ Kalikumpel auf, den Hungerstreik zu beenden.
Betriebs- und Sprecherrat der Bischofferoder, argumentativ unterstützt vom Schweizer Kalikartell-Experten Peter Arnold, haben unterdessen in Brüssel ihre Sicht der Dinge vorgetragen. Da heißt es: „Unser Werk beliefert hauptsächlich Düngemittelproduzenten in Nord- und Westeuropa, die – ebenso wie die Gruppe BASF/Kali+Salz – Kaliumsulfat und Mehrnährstoffdünger herstellen.“ Durch die Schließung von Bischofferode eröffne sich für BASF/Kali+Salz die Chance, auf dem Kaliumsulfatgebiet die absolute Vorherrschaft zu erlangen.
Bisher standen Kali+Salz und die K60/K61-Abnehmer EMC sowie Kemira Oy auf dem Kaliumsulfatgebiet etwa gleichauf. Würde die Grube geschlossen, müßten die Konkurrenten von BASF auf den GUS-Produzenten Uralkali zurückgreifen. Dort bestehe jedoch eine Exportbeschränkung. Eine solche Wettbewerbsverzerrung zugunsten von BASF, so die weitere Argumentation, ließe sich das Kalikartell „auch noch von der Treuhand mit 1,3 Milliarden Mark finanzieren: 700 Mio DM sollen in den Osten und 600 Mio DM in den Westen fließen – um hier, in Hessen, eine Kaligrube und ein Steinsalzwerk und dort, in Thüringen, das Werk Bischofferode sowie die Kalitageablage Märkers zu schließen. Die Werke in Bleicherode, Solstedt, Sondershausen, Roßleben, Dorndorf und Volkerode sind dort bereits plattgemacht worden.“
Lange vor Fusionsvertrag und dazugehörigem Staatsgutachten — beides wird immer noch geheimgehalten — hatte Kaliexperte Arnold die für die Ost-Kaligruben verhängnisvolle Kali-Kartellpolitik bereits gegenüber der Treuhand und Tyll Necker thematisiert. Letzterer hatte dazu nur gemeint: „Bei Kali gibt es keine Martkwirtschaft, Ende der Durchsage!“
Dennoch beschlossen die Bischofferoder gestern: „Wir kämpfen weiter für den Erhalt unserer Arbeitsplätze im Kali-Bergbau.“ Mittlerweile beteiligen sich über 40 Bergleute, fünf Frauen, ein Rentner aus Berlin und ein Pastor aus Rheinhausen an dem Hungerstreik. Die Zusammenarbeit zwischen Über Tage und Unter Tage, so die Kumpel, sei noch nie so gut gewesen. Und so lautete denn auch das Wort zum sonntäglichen Gottesdienst im Saal der Hungerstreikenden: „Betet und arbeitet zusammen. Betet und kämpft zusammen!“
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