: Kali-Kumpel kämpfen weiter
■ Hungerstreik in Bischofferode geht weiter / Betriebsrat gibt Hoffnung nicht auf
„Nach wie vor sieht der Betriebsrat politische und rechtliche Möglichkeiten, die Schließung des Werkes zum 31.12. zu verhindern“, heißt es in einer Stellungnahme der Kali-Kumpel vom Sonntag, mit der ein Vertreter des Sprecherrats den anwesenden Journalisten die „wirtschaftlichen Hintergründe“ ihres Kampfes erläutert hatte. Die Bischofferoder lehnen die ihnen offerierten „Ersatzarbeitsplätze“ ab: „Gebt sie den bereits seit 1990 entlassenen 22.000 ostdeutschen Kali-Bergwerkern“, lautete ihr Kommentar. Mit ihrem Hungerstreik wollen die Bergleute eine Annullierung des Fusionsvertrages zwischen Ost-MdK und West- Kali+Salz und eine Einzelprivatisierung erreichen: „Bei der Fusion werden wir nur den Interessen anderer geopfert.“ Rechtliche Schritte bei den Berliner und Brüsseler Kartellbehörden sind eingeleitet. Die Mitteldeutschen Kaliwerke (MdK) sind seit 1991 Mitglied im „Internationalen Kali-Institut“ Basel sowie in der Wiener „Kali-Export Gesellschaft“. Über das Wiener Kartell heißt es in einer Treuhand-Information: „Nur mit hohem Kostenaufwand gelang es der ostdeutschen Kaliindustrie, sich in dieses Kartell einzukaufen“.
Von der Berliner Treuhand weiß man, daß sie eher ein „Kartell-Amt“ ist. Über das EG-Kontrollgremium schreibt der Schweizer Kalikartell-Experte Peter Arnold in einer Studie für die Thüringer Landwirtschaftsförderungsgesellschaft: „Daß die durch die Schließung des Werkes Bischofferode weiter voranschreitende Umwandlung des Duopols (deutsche Kali+Salz/französische Enterprise Mini‘ere et Chimique) auf dem Kaliumsulfatgebiet im EG-Raum in ein faktisch von Kali+Salz kontrolliertes Monopol, auf das 80-85% der im EG-Raum installierten Kaliumsulfat-Produktionskapazität entfällt, die EG-Kartellbehörde nicht interessieren sollte, ist schlecht vorstellbar.“ Bereits in der nächsten Woche wollen einige EG-Vertreter Bischofferode besuchen.
Mittlerweile haben sich auch die Fraktionsvorsitzende des Bündnis 90/Grüne im Landtag, Christine Grabe, sowie der parteilose Fraktionsvorsitzende der PDS, Frank Hahnemann, dem Hungerstreik angeschlossen. Daß Treuhand- Vorstand Klaus Schucht nur die Interessen der Kaliindustrie vertrete, wird ihm längst in Bischofferode unterstellt. Schucht dazu: „Nach vierzig Jahren Stagnation muß abrupt geändert werden, was bei uns im Westen Jahrzehnte Zeit hatte. Aber das Festhalten an alten Strukturen ist noch gefährlicher. Statt 30 oder 40 Milliarden Jahresverlust bei der Treuhand kostet es dann das Doppelte. Und die Westdeutschen werden fragen, warum sie das mit ihren Steuergeldern bezahlen sollen...“
Wer allerdings so dreist die Unwahrheit über die Gründe für die Stillegung des Schachts „Thomas Müntzer“ breuelt, darf sich nicht wundern, wenn man ihn für die Einsätze von Zivilpolizisten als agent provocateurs bei den Demonstrationen der Bischofferoder vor der Berliner Treuhand-Zentrale und dem Erfurter Landtag verantwortlich macht. Beim Narva-Kampf gegen das Elektrokartell (IEA) hatte es fünf Tote gegeben: Ein Investor, Dieter Binninger, stürzte samt Pilot mit dem Flugzeug ab, Treuhandchef Detlef Rohwedder wurde erschossen, Planungsleiter Hanno Klein wurde per Briefbombe getötet, Elektrokartell-Kritiker Rudolf Mirow wurde von einem Auto überfahren – sämtliche diesbezüglichen Ermittlungen sind eingestellt. Dem unbefangenen Betrachter stellt sich die Frage: Müssen nun in den nächsten Tagen und Wochen auch die hungerstreikenden Kali-Kumpel im Eichsfeldischen fürchten, daß unerklärliche Unfälle, Brände und Havarien zunehmen? Und welcher Art war der Druck, der vergangene Woche den Investor Peine bewog, seine Kaufofferte für Bischofferode zurückzuziehen? Dem Spiegel sagte THA-Manager Schucht: Der Hungerstreik habe „eine gewaltige Wirkung auch auf Betriebe im Westen“. Wenn man den nicht bricht, „wie will man dann in Deutschland noch Veränderungen bei den Arbeitsplätzen durchsetzen“?“ H. Höge
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