: Somalia-Einsatz: Die Front wankt
■ Durchhalteparolen von Rühe / Granaten in Mogadischu / FDP zaudert
Bonn/München (dpa/AFP) – Am Morgen forderte CSU-Chef Theo Waigel noch eine Überprüfung des UNO-Auftrags für die Bundeswehr in Somalia und hielt eine neue Entscheidung des Bundestages für sinnvoll, doch gestern nachmittag hatte er es sich schon wieder anders überlegt. Es reiche, befand der wankelmütige Finanzminister, wenn sich heute das Kabinett mit dem Somalia-Einsatz befasse. Er werde darauf dringen, daß die Regierung die bisherige Linie nochmals durch eine klare Bekräftigung deutlich mache, meinte Waigel nach der Vorstandssitzung der CSU in München.
Wenn die Hardliner um Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) sich im Kabinett durchsetzen, werden die ersten 250 Soldaten des 1.500 Mann starken Hauptkontingents in den frühen Morgenstunden des Mittwoch nach Mogadischu abfliegen. Rühe erklärte gestern, daß die Bundeswehr und die Vereinten Nationen „alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen“ für die deutschen Soldaten in Somalia träfen.
„An unserem Auftrag in Somalia hat sich nichts geändert“, unterstrich der Verteidigungsminister. „Es ist jetzt notwendig, mit ruhiger Hand einen klaren Kurs zu steuern und verantwortungsvoll zu handeln.“ Die Kritiker des deutschen Engagements sollten sich noch einmal die Fernsehbilder mit den Tausenden toten Somalis aus der Zeit vor dem Engagement der Vereinten Nationen ansehen. „Dann würden sie begreifen, was der Einsatz für die Somalis inzwischen bedeutet“, meinte Rühe. Er will heute nach Parma fliegen, um dort mit seinem italienischen Kollegen Fabio Fabbri die Lage in Somalia erörtern. Fabbri forderte gestern die Vereinten Nationen auf, Gespräche mit allen Konfliktparteien in Somalia aufzunehmen.
Während zwei FDP-Verteidigungsexperten sich für ein Moratorium in Sachen Somalia-Einsatz aussprachen, warnte FDP-Generalsekretär Werner Hoyer nach einer Sitzung des Parteipräsidiums davor, jetzt die Nerven zu verlieren. Die FDP halte trotz wachsender Bedenken in der Öffentlichkeit zumindest vorerst am geplanten Einsatz der Bundeswehr in Somalia fest.
Der SPD-Wehrexperte Walter Kolbow forderte, das Hauptkontingent nicht mehr nach Somalia zu schicken und die dort stationierten Soldaten nach Hause zu holen. Kolbow befürchtet, daß General Aidid seinen Milizionären befehlen wird, das Hauptlager der Deutschen in Belet Huen anzugreifen.
Während es in Belet Huen ruhig blieb, wurde der Flughafen von Mogadischu in der Nacht zum Montag erneut mit Granatwerfern und Artillerie beschossen. Nach Angaben der UNO waren Kämpfer des General Aidid für den Angriff auf den Flughafen verantwortlich, auf dem auch Soldaten der Bundeswehr stationiert sind, um die Anlieferung deutscher Hilfsgüter zu koordinieren.
Obgleich auch das UNO-Hauptquartier in Mogadischu unter Beschuß kam, wurden keine Blauhelme verletzt.
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