■ Cash & Crash
: Wall Street kanalisiert die Flut

Berlin (taz) – In der New Yorker Wall Street verursacht die Flutkatastrophe im Südosten der USA bisher nur wenigen Brokern nasse Füße. Einige Agrargiganten allerdings mußten schon Kursverluste hinnehmen – vor allem Archer-Daniels-Midland, ein Konzern, der Soja zu den verschiedensten Produkten verarbeitet. Pestizidherstellern werden ebenfalls Einbrüche vorhergesagt, weil die Felder – auch wenn der Mississippi in sein Bett zurückkehrt – viel zu matschig zum Spritzen bleiben. Auch haben sich zahlreiche Aktionäre von zwei Eisenbahngesellschaften, deren Schienen in den Fluten versanken, schnell von ihren Papieren getrennt. So mancher aber wird durch die Überschwemmungen die Gelegenheit haben, noch zusätzliche Schäfchen ins trockene zu bringen – Zeit für Spekulationen.

Eines steht zunächst fest: Die Mais- und Sojapreise steigen. Schon heute zahlen viele US-Silobesitzer für Mais acht Prozent mehr als vor einem Monat und die Preise für Soja sollen auf einigen Märkten sogar um 18 Prozent angezogen haben – sehr zur Freude von Farmern, die noch Vorräte aus dem letzten Rekordjahr haben, und von Optionsscheinbesitzern, die zu noch alten Preisen den Anspruch auf künftig geerntetes Getreide erworben haben.

Mittelfristig wird sicher auch Fleisch teurer. 31 Milliarden Dollar mehr als im Vorjahr müssen die US-Amerikaner durch die Flutschäden für Essen ausgeben, prognostiziert Wirtschaftsexperte Paul Prentice im Wall Street Journal. Möglicherweise aber fallen die Fleischpreise zunächst, weil viele Bauern ihre Tiere lieber schlachten als teuer durchfüttern.

Die europäischen Verbraucher werden die Teuerung beim Einkauf für ihr Mittagsmahl ebenfalls zu spüren bekommen – selbst dann, wenn sich viele Importeure schnell nach Brasilien umorientieren, wo gerade eine Rekordernte eingefahren wurde.

Die Preissteigerungen werden die bisher schwache Inflation in den USA anheizen; höhere Zinsen seien da nur eine Frage der Zeit, glauben Beobachter der Szene. „Gerade diese Ängste helfen, den Dollar gegen die europäischen Währungen zu stützen“, prognostiziert ein Londoner Finanzexperte im Wall Street Journal. Hier ist ein pfründeversprechendes Betätigungsfeld für Währungsspekulanten.

Einige Verlierer der Überschwemmungen stehen hingegen schon fest: Außer den Verbrauchern sind es vor allem Hausbesitzer und Farmer, die sehr zur Erleichterung der Versicherungsbranche kaum vorgesorgt hatten.

Und auch Rußland wird unter den steigenden Korn- und Weizenpreisen zu leiden haben: Für das 500-Millionen-Dollar- Hilfspaket in Form von Getreide aus den USA wird das Land jetzt viele Säcke weniger bekommen als erwartet. aje