: Ortstermin im Grunewald
■ Streit zwischen Bundesbahn und Zentralrat der Juden um Reinigungsanlage am Bahnhof Grunewald ist beigelegt
Der Streit zwischen Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Bundesbahn-Chef Heinz Dürr über die Errichtung einer Wartungsanlage für Reisezüge auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahngeländes Grunewald ist beigelegt. Bei einem sehr kurzfristig vereinbarten Ortstermin gestern nachmittag einigten sich die beiden, daß der Ort, an dem am 18. Oktober 1941 die Deportation der Berliner Juden in den Osten begann, der Öffentlichkeit „uneingeschränkt“ zugänglich gemacht wird. Die Rampen sowie das 1991 eingeweihte Mahnmal des polnischen Bildhauers Karol Broniatowski sollen Teile einer neu zu errichtenden Gedächtnisstätte werden. Die Deutsche Reichsbahn wird die erforderlichen Planungen in Abstimmung mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland sofort beginnen, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Zur Wahrung der historischen Belange wird der Direktor des Museums für Verkehr und Technik, Günther Gottmann, hinzugezogen. Dieser sowie Wolfgang Scheffler vom Institut für Antisemitismusforschung hatten gegenüber der taz darauf hingewiesen, daß es bis heute noch nicht geklärt sei, wo genau die Deportationszüge starteten, daß also weitere Forschungen notwendig wären. Die heute mit Müll und Schrott gesäumten Gleise und die teilweise mit Grünzeug überwachsenen Rampen seien vermutlich auch „Nachkriegsware“. Beide monierten ebenfalls, daß der historische Ort, weil von der Öffentlichkeit nicht betretbar, noch nie eine Erinnerungsstätte gewesen sei. Eine Reinigungsanlage irgendwo auf dem riesigen Gelände könne daher auch nicht per se das Andenken der insgesamt über 50.000 aus Berlin deportierten Juden schänden.
Genau dies behaupteten aber Schrebergartenbesitzer an der Trabener Straße in Briefen an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Jerzy Kanal. Obwohl vermutlich den Protestierenden die Besitzstandssicherung näher lag als die Trauer über den nationalsozialistischen Deportationsterror, führte dieser Protest letztendlich zur jetzigen Einigung.
Laut Bundesbahn-Sprecherin Anfried Baier-Fuchs steht noch in keinster Weise fest, an welchen Ort die für 1997 geplante Anlage hingestellt wird und welche Ausmaße sie haben wird. Erst müsse mit Professor Gottmanns Hilfe der genaue historische Ort gesucht, dann die neue Gedenkstätte geplant und endlich die Wartungsanlage konzipiert werden. Die Berliner Juden wurden zwischen 1941 und 1945 nicht nur vom Bahnhof Grunewald, sondern auch von den Bahnhöfen Putlitzbrücke und Anhalter Bahnhof deportiert. Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen