: Wo ist der Zeuge?
■ Tödliche RAF-Fahndung: Der „Spiegel“-Zeuge ist jetzt weg, V-Mann „Klaus“ hat jetzt eine „ladungsfähige“ Anschrift
Berlin (AFP/taz) – Auch vier Wochen nach dem Desaster in Bad Kleinen ist noch unklar, wie Wolfgang Grams zu Tode gekommen ist. Einer der bisher wichtigsten Zeugen, ein Spiegel-Informant, der gegenüber dem Nachrichtenmagazin ausgesagt hatte, die Exekution Wolfgang Grams durch einen GSG-9-Beamten beobachtet zu haben, scheint unterdessen unbrauchbar geworden sein. Der zuständige Redakteur, Hans Leyendecker sagte in einem Interview mit „n-tv“: „Ich bin mir nicht sicher, ob seine Aussage so stimmt.“
Laut Spiegel scheint aber gesichert, daß Grams durch einen aufgesetzten Schuß im Liegen erschossen wurde, beziehungsweise sich selbst erschoß. Damit ist zumindest eine der vielen Varianten vom Tisch, wonach Grams beim Sturz auf die Gleise versehentlich sich selbst exekutiert haben könnte. Nach den vorläufigen Berichten der Züricher Gutachter deutet alles darauf hin, daß der tötliche Schuß aus seiner eigenen Waffe kam. In ihrem Lauf wurden Blut– und Gewebereste gefunden, die zur Zeit noch analysiert werden. Fingerabdrücke gibt es nicht, die Waffe war eingeölt.
Als Zeuge des tödlichen Schusses kommt auch V-Mann Klaus Steinmetz nicht in Frage. Er wurde zusammen mit Birgit Hogefeld noch in der Unterführung festgenommen, konnte also nicht sehen, was oben auf dem Bahnhof geschah. Gleichwohl steht er nun dem Schweriner Staatsanwalt zur Vernehmung zur Verfügung, zumindest pro forma, da das Mainzer Innenministerium den Ermittlern eine „ladungsfähige Anschrift“ (Spiegel) mitgeteilt hat. Unklar ist allerdings, wie diese Preisgabe vereinbar ist mit der bislang so hochgehaltenen unbedingten Schutzbedürftigkeit des Zeugen, der seit über 10 Jahren vom rheinland- pfälzischen Verfassungsschutz geführt wird und seit Bad Kleinen für die Genossen der RAF als Verräter gelten dürfte.
Nach wie vor unklar ist, wie die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zustande kam. Einerseits berichtet der Spiegel von der permanenten Geldnot Klaus Steinmetz', die das Motiv für seine Kooperationsbereitschaft mit dem Verfassungsschutz darstelle – der heute 33jährige V-Mann studierte von 1980 bis 1985 in Kaiserslautern, Mitte 1984 scheiterte seine Kandidatur für den Kreistag, ebenso wie sein Umstieg in die Selbständigkeit als Geschäftsführer einer eigenen Computerfirma – andererseits gilt erst ein Einbruch in einer Autofirma im Mai 1989 als Wendepunkt. Nach diesem und einem anderen Einbruch wurde Klaus Steinmetz nämlich zunächst zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt. Nach Berufung und Revision wurde die Strafe in eine einjährige Bewährungsstrafe umgewandelt. In einem in der taz veröffentlichten Brief Birgit Hogefelds fragte diese, ob Klaus Steinmetz „durch drohende Haftstrafe weiter erpreßbar geworden, sein Spitzellohn – die Umwandlung des Urteils in Bewährung“ war. Der damals zuständige Mainzer Oberstaatsanwalt sagt, es sei „absurd anzunehmen, daß eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen von außen beeinflußt oder gar gesteuert worden seien“. Da Klaus Steinmetz die Bewährungsauflagen erfüllte und auch die ausstehende Geldbuße bezahlte, wurde ihm schließlich am 7. Juni dieses Jahres die Strafe erlassen – zwanzig Tage später kam Wolfgang Grams ums Leben und Birgit Hogefeld ins Gefängnis.
Focus berichtet in seiner neuesten Ausgabe, der Bombenanschlag auf den Gefängnisneubau von Weiterstadt sei vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ausdrücklich gebilligt worden. Das Nachrichtenmagazin beruft sich dabei auf die eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters des BfV. Grund: Die geplante Festnahme der RAF-Führung hätte einen höheren Wert als der in Weiterstadt zu erwartende Sachschaden. Ein Sprecher des Bundesamts erklärte am Samstag dazu: Das BfV habe von dem geplanten Anschlag nichts gewußt, „geschweige denn ihn gebilligt“. ja
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