: Scientologen und „Krieg der Psychiater“
Eine dubiose „Friedensbewegung Europa / Aktionsbündnis Bosnien-Herzegowina“ wirbt um Verständnis / Soll die Friedensbewegung für Jugoslawien unterwandert werden? ■ Von Frank Nordhausen
Es ist Krieg in Bosnien, und viele wollen helfen. „Dieser Krieg ist ein psychiatrischer Krieg“, klagt eine bislang unbekannte „Friedensbewegung Europa/Aktionsbündnis Bosnien-Herzegowina“. Laut Presseerklärung hat sie sich den Kampf gegen die Psychiater („Volksmörder im weißen Kittel“) auf ihre Fahnen geschrieben und will gegen Menschenrechtsverstöße im ehemaligen Jugoslawien vorgehen. Ziel: „ein Europa ohne Krieg und Wahnsinn“. Sogar eine Demo in Bonn hat die „Friedensbewegung“ bereits veranstaltet. Doch Vorsicht: die rein „private Organisation“ mit dem Motto „Menschen für Menschen, Religion für Religion, Brüder für Brüder“ ist offenbar nichts anderes als eine Tarnorganisation der berüchtigten Scientology-Sekte.
Die dubiose „Friedensbewegung“ ist in Bonn bereits auf positive Resonanz gestoßen. Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, seriöse Hilfsorganisationen und Anhänger demokratischer Parteien haben sich von dem energischen Auftreten der Sektierer täuschen lassen. Doch die Aktivitäten und Ausdrucksformen des „Aktionsbündnisses“ sind wohl Etikettenschwindel. Tatsächlich entspricht die Argumentation der Gruppe haargenau der verquasten Scientology-Ideologie; in ihrer Führung sitzen altgediente Scientologen. Offenbar geht es ihnen um Einfluß auf die Friedensbewegung für Jugoslawien.
Als „Präsidentin“ der Vereinigung fungiert die bayerische Scientologin Rosemarie Mundl. Im Hauptberuf als „Musikclown“ tätig, dirigiert sie nebenbei die „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“, ideologisch eine hundertprozentige Scientology-Tochter. Die „Kommission“ arbeitet hart daran, die Weltverschwörung der Psychiater aufzudecken. Diesem Komplott war einst der inzwischen verblichene Scientology-Gründer L. Ron Hubbard auf die Schliche gekommen.
Hubbard, ein mäßig erfolgreicher Science-fiction-Autor, hatte sich zeitlebens von Psyychiatern, FBI-Agenten und Kommunisten bedroht gesehen und war daher von seiner zweiten Ehefrau als „hoffnungslos geisteskrank“ bezeichnet worden. Er hatte den Kampf gegen die Seelenklempner und ihre Behandlungsmethoden zum Essential seiner paranoiden Weltrettungsstrategie erklärt.
In diesem Sinne hat nun die „Friedensbewegung Europa“ herausgefunden, wer die „ethnischen Säuberungen“ im ehemaligen Jugoslawien steuert. Psychiater und ihre „gehirngewaschenen Patienten“ seien schuld am „Tod unzähliger alter Menschen, Frauen und Kinder“. Karadžić, Milošević, Lord Owen – alles gefährliche Kumpane der Therapeutenmafia. Der Psycho-Kult hatte bereits vor Monaten verkündet, daß der Krieg in Bosnien von Interpol angezettelt, von den Amtskirchen abgesegnet und von den Psychiatern durchgeführt werde.
Offenbar fallen trotz solch wirrer Worte viele ahnungslos auf die Werbemasche des Sektenkonzerns rein und lassen sich von der blumig-wolkigen Sprache beeindrucken. Das ist genau kalkuliert. Schon oft haben Scientologen Vereine benutzt oder initiiert, die unter dem Deckmantel sozial engagierter Tätigkeit ihr gefährliches und verrücktes Gedankengut verbreiteten (Beispiel: die angebliche Drogentherapie „Narconon“). Derlei Gruppen sollen neue Mitglieder rekrutieren und dienen als scheinbar soziales Deckmäntelchen.
Auch scientologische „Hilfe“ für die Länder des ehemaligen Ostblocks ist nichts Neues. So entsandte vor gut zwei Jahren eine hubbardistische Organisation aus München namens „Projekt Dynamik vier“ Hilfskonvois nach Rumänien. Und in dem Züricher Verein „Help Rumänien“ führten „engangierte Privatleute“, in Wahrheit bekannte Scientologen, die Regie.
Auf Nachfrage erklärte Dominique Weyl, ausgewiesene Scientologin und Sekretärin der „Friedensbewegung Europa“ („vereinsrechtlich gesehen“), ihre Organisation habe nichts mit Scientology zu tun. Sie sei in Wahrheit „interreligiös“, „rein ideell“ tätig und versuche lediglich, „auf die Öffentlichkeit und die Politiker einzuwirken“.
In Kürze sollten, so Weyl, weitere Demonstrationen in Bonn und anderen europäischen Städten stattfinden. Die Vereinigung schicke allerdings keine Hilfskonvois auf die Reise und sammle auch keine Spenden ein.
Merkwürdig nur, daß ihre Pressemitteilung extra ein Spendenkonto angibt. In einer Stellungnahme warnte die SPD-Bundestagsabgeordnete Renate Rennebach davor, auf das Konto einzuzahlen oder Veranstaltungen der Organisation zu besuchen, denn diese dienten nicht dem vorgegebenen Anliegen, „sondern nur der Scientology-Mafia“.
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