■ In Kuba gilt seit neuestem die offizielle Devisenfreiheit: Dólares o muerte!
„Theoretisch könnte man denken, daß es aus dieser Situation keinen Ausweg gibt“, erklärte Castros Wirtschaftszar Carlos Lage kürzlich in aller Offenheit, „aber in der Praxis können wir mit unserer ganzen Anstrengung arbeiten und vorankommen“; gegen die theoretische Ausweglosigkeit nun also auch mit der Praxis der Dollars. Doch mit der von Fidel Castro jetzt offiziell proklamierten Devisenfreiheit auf Kuba bleibt mehr als nur die Weisheit grauer Theorie auf der Strecke: Eine der großen, noch verbliebenen Ideen der Revolution, die relative Gleichheit bei der Verteilung des Wenigen, wird den wirtschaftlichen Sachzwängen geopfert.
Grund zum Jubel besteht dabei kaum: Vielen Kubanern, die nicht an den Brosamen der Dollar-Welt teilhaben, wird es nicht besser gehen als zuvor, sondern schlechter. Doch je länger wirtschaftliche Reformschritte hinausgeschoben würden, desto traumatischer könnten die Folgen ausfallen. Gegen die große Katastrophe blieb so nur das auch schon recht große Übel. Die Öffnung erfolge, so die schon sattsam bekannten offiziellen Verlautbarungen, „um die Revolution und den Sozialismus zu retten“, selbstverständlich. Doch was ist noch Revolution, was ist noch Sozialismus in Kuba?
Die Vordenker der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik schreiben bereits von „weitreichenden marktorientierten Reformen“ und dem „geordneten Übergang zu einem anderen Modell sozialer Organisationen“. Sozialismus meint dann nur noch eine soziale Mindestsicherung plus Herrschaft der KP. Und die zu rettende Revolution wird, nach den ideologischen Höhenflügen des Kalten Krieges, wieder zu dem, was sie einst vor allem war: zur Chiffre für nationale Unabhängigkeit.
In Kuba ist dies jedoch schon heute ein gewaltiges Ziel. Denn wer die Vereinigung von West- und Ostdeutschland erlebt hat, dem braucht man über die Bedeutung einer eigenständigen Währung für den Erhalt eines souveränen Staates keine großen Vorträge zu halten. Und wo eine Million Kubaner mit US-amerikanischem Paß, beträchtlichem Kapital und politischen Machtansprüchen in Florida leben, stellt die Zulassung des Dollar in Kuba auf mittlere Sicht nicht weniger als den Erhalt der kubanischen Nation in Frage.
Dies weiß auch die Führung in Kuba. Nur: Offenbar ist der Punkt erreicht, wo ein „Weiter so“ von niemandem mehr, auch nicht von Fidel Castro, zu verantworten war. Bert Hoffmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen