: Was fehlt
John Major nicht mehr länger die Einsicht. In einem raren Geistesblitz hat der britische Premierminister nicht nur einige seiner Kabinettskollegen „Bastarde“ genannt, sondern sich selbst auch als „Waschlappen“ bezeichnet. „Ich verstehe nicht, wieso ein solch kompletter Waschlappen wie ich in allem gewinnt“, sagte Major in einem Privatgespräch zu einem Fernsehjournalisten. Das Gespräch wurde jedoch von boshaften Fernsehtechnikern mitgeschnitten und der Presse zugespielt. Der Daily Mirror bietet über eine Sondertelefonnummer sogar eine Hörprobe des Bandes an.
Der taz weder Lob noch Tadel. Von beidem teilen Wolf Schneider, Leiter der Hamburger Journalistenschule, und Detlef Esslinger, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, in ihrem neuen Buch „Die Überschrift“ reichlich aus. „Satzung geändert – Atomstrom bleibt“ – diese taz-Schlagzeile zeige journalistisches Geschick. Die „Flapsigkeit der taz“ fasse oft Geschehnisse besser zusammen als sachlich richtige, aber umständlich formulierte Überschriften. Flapsiges Beispiel: „EG droht Serbien mit Dauerdebatte“. Allerdings erhält auch Bild ein Lob. Mit dem Titel „Volksmusik: Wer haßt wen?“ habe es das Blatt geschafft, mit vier Wörtern „alle Vorstellungen umzustülpen, die mit der Heidi- Welt der Heimatmelodien verbunden werden“. Wenn die taz dagegen den Ertrinkungstod des englischen Verlegers Robert Maxwell (siehe auch Seite 16) mit „Feuchter Abschied vom Imperium“ überschreibt, ist für die Autoren die Grenze zur Geschmacklosigkeit überschritten. Während die taz vorsätzlich so wundervoll titelte, war der zuständige Welt-Redakteur jedoch nicht recht bei Trost, als er schrieb: „Kohl in Bergen- Belsen: Es war Abfall von Gott“. Die Gurke des Jahres verdient aber zweifellos das christliche Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, das einen Bericht über jüdische Orchester in Hitlers Konzentrationslagern mit der Schlagzeile überschrieb: „Sie spielten bis zum Vergasen“.
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