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Prinzipienstreit um Friedhof

■ Freiwillige setzen Friedhof von Adass Jisroel instand / Gemeinde wirft deutschen Behörden Vernachlässigung vor / Gelder vom Senat wurden aber zurückgeschickt

Seit einigen Tagen ackern neun Freiwillige eines „Internationalen Bauordens“ auf dem Friedhof der Synagogengemeinde Adass Jisroel in Weißensee. Bis zum 6.August beseitigen sie zwischen den Gräbern Unkraut, harken die Wege, tun all das, wofür Friedhofsgärnter normalerweise bezahlt werden. Der kostenlose Arbeitseinsatz der jungen Leute sei notwendig geworden, schreibt Adass Jisroel in einer Pressemitteilung, weil der Berliner Senat die Zuschüsse für Personal- und Sachkosten für den Friedhof gestrichen hat, die Gemeinde deshalb die Anlage am 1.April schließen mußte und die Gräberfelder in Folge „verwahrlosten“.

Hinter dieser Botschaft – deutsche Behören lassen jüdischen Friedhof verwahrlosen – verbirgt sich ein Streit um Grundsätzliches. Denn Adass meint, daß die deutschen Behörden aufgrund der historischen Schuld die Pflege jüdischer Friedhöfe als fortlaufende öffentliche Ausgabe fest in ihre Etats einzuplanen haben. Der Gemeinde sei es nicht zuzumuten, so Sprecherin Ulrike Zöls, wie ein „Off-Theater“ behandelt zu werden, das heißt Jahr für Jahr einen Förderungsantrag einzureichen, über den dann Jahr für Jahr neu entschieden werden muß.

Der Senat hingegen, so Konfessionsspezialist Ingo Fessmann von der zuständigen Kulturverwaltung, sperre sich nicht gegen Mittel für einen Friedhofsgärtner. Im Gegenteil: Die Pflege jüdischer Friedhöfe sei Bestandteil der Bund-Länder- Vereinbarung. Bloß sei die Bewilligung dieser Gelder an das Haushaltsrecht gebunden, und dieses unterscheide zwischen öffentlichem und privatem Eigentum. Weil der Friedhof aber einzig und allein Adass Jisroel gehöre, haben sie, wie alle anderen „Zuwendungsempfänger“ auch, die Mittel jährlich zu beantragen und die Verwendung im einzelnen zu begründen. Und genau dies tue Adass nicht, und genau deshalb stecke Adass Jisroel in einer Finanzklemme, die nicht sein müsse.

Der Streit ist der Gemeinde viel Geld wert. Denn für 1992 bewilligte der Senat für den Friedhofsgärtner 40.500 Mark und überwies diesen Betrag Ende Dezember. Aber zum Erstaunen der Kulturverwaltung schickte Adass das Geld zurück. Begründung: Der Gärtner soll wie früher vom Bezirk Weißensee bezahlt werden; die Gemeinde möchte die bewilligten Mittel lieber für die Einrichtung von rituellen Quellbädern ausgeben. Weil dies aber dem Haushaltsrecht widerspricht, die Kosten für die Bäder extra zu beantragen sind und vor allem weil Adass das Geld nicht wollte, sind die Gelder für den Friedhofsgärtner des Jahres 1992 verfallen. Der freiwillige Arbeitseinsatz unterstützt also in erster Linie die Prinzipienfestigkeit der Gemeinde.

Damit dies in diesem Jahr nicht noch einmal passiert, hofft Ingo Fessmann auf ein zukünftiges Verständnis von Adass Jisroel. Die Gemeinde erhielt im Juni den vorläufigen Zuwendungsbescheid für 1993. Darin bestätigt der Senat, daß der Friedhof „integraler Bestandteil der Gemeindearbeit“ ist, das heißt, neben dem Friedhofsgärtner auch Quellbäder beantragungsfähig sind. Einzige Bedingung: Adass muß das Haushaltsrecht akzeptieren und die benötigten Gelder einzeln und jedes Jahr neu beantragen. Aber ob die Gemeinde das tut, steht in den Sternen. Ulrike Zöls sagt, „dies ist entwürdigend“. Anita Kugler

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