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600 Mark Miete für zwölf Quadratmeter

■ Firma vermietet Zimmer in Stiftungs-Haus an Mitarbeiter / Drei Menschen in einem Raum / Barbara John: „Ein Skandal“

Riesengewinne macht eine Firma aus dem ehemaligen Jugoslawien, indem sie billigen Wohnraum teuer an ihre Mitarbeiter vermietet. Das jedenfalls werfen diese dem Arbeitgeber vor und belegen diese Kritik mit Lohnauszügen. Doch das Unternehmen in Wittenau streitet die Vorwürfe ab, die Bürgermeister-Reuter-Stiftung als Hauseigentümerin ist entsetzt.

600 Mark zahlt zum Beispiel Soran (Name von der Redaktion geändert) für sein Zwölf-Quadratmeter-Zimmer im Wedding, in dem er mit seiner Frau Dragana und seinem achtjährigen Sohn lebt. Außer einem Bett, einem Kühlschrank, einem Regal und einem Schrank paßt nichts mehr in das Zimmerchen, es gibt weder einen Tisch noch einen Stuhl. Die Miete wird vom Lohn abgezogen, den ihm die Montagefirma EM Hidromontaza Maribor zahlt.

Eigentümerin des Paul-Hertz- Heims ist die Bürgermeister-Reuter-Stiftung, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Arbeitnehmern und Studenten preiswerten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wie Geschäftsführer Winfried Schweitzer erklärt. 1953 wurde die Stiftung vom damaligen Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter gegründet. Zweck ist nach Paragraph 3 ihrer Satzung „die zusätzliche Unterstützung von hilfsbedürftigen Flüchtlingen und sonstigen Hilfsbedürftigen und die Förderung der Berufsausbildung einschließlich der Studentenhilfe.“ Gerade ausländischen Arbeitnehmern biete die Stiftung kurzfristig Wohnraum, konkretisiert Schweitzer, dort sollten sie „aufgenommen und integriert“ werden.

Rund 270 Mark zahlen die Bewohner für die möblierten Zimmerchen. „Da sind Möbelverschleiß und alle Nebenkosten mit drin“, erklärt Schweitzer, „deswegen erscheint der Preis so hoch“. Hidromontaza zahle 324 Mark, „weil manchmal noch die Frau und vielleicht ein Kind mit dabei ist“, so der Geschäftsführer. Daß ein Unternehmen jedoch deutlich mehr Miete abziehe, höre er zum ersten Mal: „Das ist ein dicker Hund, das sollte die Kripo wissen.“

„Das wäre ein Skandal, der dem sozialen Grundanliegen der Stiftung ins Gesicht schlägt“, reagierte Ausländerbeauftragte und Aufsichtsratsmitglied Barbara John (CDU), als sie gestern durch die taz von den Vorwürfen erfuhr. „Das war uns nicht bekannt“, versicherte auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats Werner Heubaum. Der Staatssekretär in der Senatsfinanzverwaltung kündigte „sofortige Konsequenzen“ an, wenn sich die Vorwürfe bestätigten.

Die Mitarbeiter „zahlen zwölf Mark pro Nacht“, erklärte Marian Zemljaric, Technischer Leiter von EM Hidromontaza Maribor. Die Vorwürfe seien ihm unbekannt. Die Differenz zu den 500 Mark, „die auf jedem Lohnzettel stehen“, erhalte der Arbeitnehmer bei seiner Steuererklärung zurück, sagte Geschäftsführer Martin Munda vom Düsseldorfer Stammhaus der Montagefirma gegenüber der taz. Wer noch höhere Abzüge habe, „der muß in dem Monat noch auf einer anderen Baustelle gearbeitet und dort auch ein Zimmer bekommen haben“, wehrte er sich.

Als völlig haltlos bezeichneten Aufsichtsratsmitglieder und Geschäftsführung der Bürgermeister- Reuter-Stiftung Aussagen von Mietern, wonach Wohnungen entmietet würden, um Parlamentariern und Verwaltungsmitarbeitern aus Bonn Platz zu schaffen. Heubaum: „Das ist ein bösartiges Gerücht.“ Christian Arns

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