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■ Neues von der Genfer-Verhandlungs-FarceDie Beute ist verteilt

Die Sieger haben die Beute verteilt. Jetzt geht es nur noch darum, den Verlierer zur endgültigen Absegnung seiner eigenen Niederlage zu nötigen. Vielleicht dauert es ja noch ein paar Tage oder Wochen. Vielleicht unterschreibt Präsident Alija Izetbegović aber auch schon an diesem Wochenende endgültig den Untergang des einst multi-ethnischen Staates Bosnien-Herzegowina. Gestern rang die bosnische Regierungsdelegation am Genfer Verhandlungstisch noch um ihre Haltung.

Izetbegović und seine Getreuen werden aber nicht mehr lange Widerstand leisten können, nachdem UNO und EG nun auch ganz offiziell das Dreiteilungsultimatum der Serben und Kroaten übernommen haben. Das in zahlreichen Meldungen völlig unzutreffend als „Kompromiß“ zwischen dem serbisch- kroatischen Konföderationsmodell sowie dem Föderationsvorschlag der bosnischen Regierungsdelegation oder sogar als „Friedensplan“ bezeichnete Sechsseitenpapier ist nichts anderes als der serbisch-kroatische „Konföderations“vorschlag – unter Vermeidung dieses Namens mit einigen anderen kosmetischen Änderungen. Bosniens Serbenführer Radovan Karadžić und Serbiens Präsident Slobodan Milošević zeigten sich denn auch voll des Lobes über die EG-Unterhändler Owen und Stoltenberg.

Izetbegović' Unterschrift ist für die Veranstalter der Genfer Verhandlungsfarce deshalb so wichtig, damit sie hernach behaupten können, sie seien doch bei ihren zu Verhandlungsbeginn vor elf Monaten feierlich verkündeten Prinzipien geblieben: keine Anerkennung von Völkermord, ethnischen Säuberungen und gewaltsamen Gebietseroberungen. Es seien ja die drei bosnischen Kriegsparteien selbst gewesen, die mit einem Genfer Abkommen diese Verbrechen schließlich freiwillig sanktioniert hätten. In Bonn und einigen anderen EG-Hauptstädten ist man sich wohl darüber bewußt, daß dies eine Notlüge ist. Intern ist hier oder auch von Genfer Diplomaten dieser Regierungen bereits seit geraumer Zeit massive Kritik an der Verhandlungsführung vor allem von EG-Vermittler Owen zu hören. Tatsächlich, so heißt es, schere sich Owen einen Dreck darum, daß er einen Auftrag der Zwölfergemeinschaft habe – und nicht einfach die Interessen der Briten auf dem Balkan zu vertreten habe. Tatsächlich aber habe seit Beginn der Verhandlungen eine britisch-russisch-amerikanische Achse die Balkanpolitik bestimmt. Warum die anderen EG-Staaten – darunter Deutschland –, die ja fast alle im politischen Leitungsausschuß dieser Genfer Jugoslawienkonferenz vertreten sind, die beiden Vermittler nicht auf eine unparteiische Rolle festgelegt haben? Darauf gibt es bislang nur hilfloses Achselzucken. Die Bonner Regierung, so heißt es, sei nicht zuletzt wegen ihrer fatalen Fehler bei der Anerkennung der ehemaligen jugoslawischen Republiken am wenigsten in der Lage gewesen, Owen auch offen zu kritisieren und zu korrigieren. Zudem habe Deutschland im Unterschied zu Großbritannien und Frankreich keine Blauhelmsoldaten stationiert. So richtig diese Argumente zumindest teilweise sein mögen: Von der Mitverantwortung für die Absegnung der Verbrechen, die jetzt in Genf auf der Tagesordnung steht, entheben sie überhaupt nicht. Und auch nicht von der Mitschuld an den Folgen des Untergangs von Bosnien-Herzegowina. Andreas Zumach, Genf

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