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Lüder unter Stasi-Verdacht

Generalbundesanwalt will gegen Wolfgang Lüder wegen Stasi-Mitarbeit ermitteln / Der FDP-Politiker weist Vorwürfe zurück  ■ Aus Bonn Hans-Martin Tillack

Bonn (taz) – Einige sprechen von einem abwegigen Verdacht. Andere sehen den Startschuß für eine große Enttarnungswelle. Wolfgang Lüder, FDP-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger langjähriger Berliner Wirtschaftssenator, ist unter dem Verdacht der Stasi-Mitarbeit in das Fadenkreuz des Generalbundesanwalts geraten. Wie gestern bekannt wurde, beantragte die Karlsruher Behörde am Donnerstag bei Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth eine Genehmigung, die Ermittlungen aufnehmen zu dürfen. Aus einem Schreiben des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergäben sich „Anhaltspunkte“, so heißt es in dem Brief an Süßmuth, daß Lüder als Inoffizieller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR geführt worden sei.

Wenn Süßmuth nicht innerhalb von 48 Stunden widerspricht, kann der Generalbundesanwalt seine Ermittlungen führen. Lüder selbst bat Süßmuth, den Bundesanwalt „so schnell wie möglich in die Lage zu versetzen, das Ermittlungsverfahren gegen mich zu führen“. Er könne sich „nicht vorstellen, worauf der gegen mich erhobene Vorwurf begründet wird“, könne aber „eine falsche Verdächtigung gegen mich aus früheren DDR-Akten oder von anderer Seite nicht ausschließen“ und dränge deshalb auf „rasche Klärung“.

Sehr zurückhaltend reagierten FDP-Bundesverband und FDP- Fraktion in Bonn. Sie verweigerten jede offizielle Stellungnahme. Lüder ist stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses und gehört dem Bundestag seit sechs Jahren an. 1975 bis 1981 war er Wirtschaftssenator in Berlin, zeitweise auch Bürgermeister und Berliner FDP-Chef. Bereits vor Monaten hatte er angekündigt, für den nächsten Bundestag nicht mehr zu kandidieren. Der zu dem kleinen linksliberalen Flügel seiner Partei zählende Lüder hatte zur Begründung den Rechtskurs der FDP angeführt.

In einem Gespräch mit der taz wies der 56jährige FDP-Politiker die Stasi-Vorwürfe zurück, verwies aber auch darauf, daß er seit langem Kontakte nach Osteuropa gehabt habe. Als Vorsitzender des Studentenparlaments der Freien Universität Berlin habe er seit 1958 „Streitgespräche“ mit der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der DDR geführt. Zweimal habe er die Weltjugendfestspiele besucht, zuletzt 1968 in Sofia. Als Wirtschaftssenator habe er auch Kontakte zum sowjetischen Generalkonsulat in West-Berlin gehabt und die Messe im polnischen Posen besucht. Auch informelle Kontakte zur DDR-Führung habe es gegeben, bestätigte Lüder. Über Details wollte er sich nicht äußern: „Das auszuführen führt zu weit.“

Lüder verwies auch darauf, daß er sich als Bundestagsabgeordneter von der Gauck-Behörde auf Stasi-Kontakte habe überprüfen lassen. Gauck habe keine Erkenntnisse über ihn gehabt. Da die Gauck-Behörde bisher über keine Akten der Stasi-Auslandsspionage verfügt, entlastet Lüder dieser Bescheid allerdings noch nicht. Überrascht von den Ermittlungen zeigte sich der FDP-Mann aber auch, weil er noch am 19. Juli vom Generalbundesanwalt die Auskunft erhalten, daß gegen ihn nichts vorliege. Ebenso habe sich der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Staatsminister Bernd Schmidbauer (CDU) geäußert. Lüder hatte dort nachgefragt, nachdem das Magazin Focus seinen Namen im Zusammenhang mit einer angeblich bevorstehenden Enttarnungswelle genannt habe.

Diese Enttarnungswelle hatte Schmidbauer in den vergangenen Wochen mehrfach angekündigt. Im Mai sprach er von 2.000 Spuren zu früheren DDR-Spionen im Westen. Die Quelle sind angeblich KGB-Akten, die die deutschen Behörden aus Moskau erhalten haben wollen. Der KGB wiederum soll die Akten vor der deutschen Vereinigung vom DDR-Staatssicherheitsdienst erhalten haben. Die russische Sicherheitsministerium bestritt aber vor zwei Wochen einen Aktentransfer in die Bundesrepublik. Sollte es sich bei den dem Verfassungsschutz vorliegenden Unterlagen tatsächlich um Stasi-Akten handeln, wären die Behörden verpflichtet, sie an die Gauck-Behörde weiterzuleiten. Dies haben sie bisher mit der Begründung verweigert, es handele sich um keine originären Stasi-Akten.

Auch die Brisanz des Materials ist in Bonn umstritten. Im „politischen Bereich“ im engeren Sinne, so erfuhr die taz, betreffe die angekündigte Ermittlungsswelle nicht 2.000, sondern lediglich 50 bis 60 Personen, eingeschlossen Verwaltungsangehörige und parteinahe Journalisten.

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