piwik no script img

Privatsender in Not

■ NDR plant neue Jugendwelle ohne Werbung / Private fürchten um Einschaltquoten

Privatsender in Not

NDR plant neue Jugendwelle ohne Werbung / Private fürchten um Einschaltquoten

Die Privatsender in Norddeutschland fürchten um ihre Existenz. Der Grund: Die Pläne des Norddeutschen Rundfunks (NDR), einen werbefreien fünften Sender mit der Zielgruppe der 14- bis 19jährigen neben den bestehenden vier NDR-Wellen einzurichten. „Die NDR-Pläne sind für uns absolut existenzbedrohend. Wir wissen nicht, ob wir das überhaupt überleben können“, erklärte der Geschäftsführer von OK-Radio, Frank Otto, der „Welt am Sonntag“. „Es ist einfach nicht fair, jetzt ein weiteres Programm aufzumachen, um uns aus dem Markt zu drängen, statt eine konsequente Programm-Reform in den vorhandenen NDR-Wellen vorzunehmen.“

In einem von NDR-Hörfunkchef Gernot Romann verfaßten Strategiepapier heißt es zum neuen NDR-Jugendradio: „In Hamburg, dem am stärksten umkämpften Radiomarkt Deutschlands, entfallen 86 Prozent der Hördauer Jugendlicher auf private Sender. 47 Prozent der 14- bis 19jährigen hören OK- Radio.“ Weiter heißt es: „Ein Jugendradio macht nur Sinn, wenn es gelingt, den kommerziellen Veranstaltern Hörer wegzunehmen.“

Das NDR-Rezept lautet: Ein streng auf den Geschmack junger Hörer zugeschnittenes Musikangebot und der „sparsame Umgang mit Wort“. In einem modernen Studio hinter dem Winterhuder Fährhaus und in bewußter Distanz zur NDR-Zentrale in der Rothenbaumchaussee soll das NDR-Jugendradio wahrscheinlich vom April 1994 an als 24-Stunden-Programm starten. Der größte Vorteil: Es ist völlig frei von Werbung.

Dieses Konzept bedeutet auch für radio ffn in Niedersachsen und für RSH in Schleswig-Holstein eine Gefahr. Aber auch Hamburgs stärkster Privatsender, Radio Hamburg (29,6 Millionen Mark Umsatz, 100 Mitarbeiter), sieht sich ernsthaft bedroht.

Rainer Cabanis, Programmdirektor von Radio Hamburg, in der „Welt am Sonntag“: „Das ist für uns eine Riesengefahr. Wenn wir 20 Prozent unserer Hörer verlieren, verlieren wir auch 20 Prozent Umsatz. Speck zum wegschneiden haben wir nicht, also müßten wir Personal einsparen und damit Qualität“. Cabanis: „An ein Minderheitenprogramm glaube ich nicht. Die wollen ein schlagkräftiges, wie privat gemachtes Massenprogramm, um den Markt zu verkleinern“. Am meisten ärgert Cabanis, daß sich weder die Hansestadt noch die politischen Parteien für die privaten Sender einsetzen.

Für den NDR-Hörfunkchef hat das Jugendradio „Modellcharakter für das ganze Haus“. Es sei die „Probe aufs Exempel“, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch fähig zur Erneuerung sei. Die sorgen der Privaten teilt Romann nicht: „Mich wundert sehr, daß die Privatfunkkollegen so wenig Selbstbewußtsein haben. Wir werden natürlich ein anderes Programm machen müssen als OK-Radio“. Der Wortanteil im NDR-Jugendradio werde sicher höher als bei den Privaten. Romann: „Wer glauben sollte, dieses Projekt noch torpedieren zu können, der irrt sich“. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen