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Der Müll und die Bezirke

■ Umweltverwaltung will bei der Diskussion um Abfallbeseitigungsanlagen die Bezirke mit einbeziehen

Im Rahmen des Abfallentsorgungsplans will die Umweltverwaltung nun verstärkt die betroffenen Bezirke anhören. Sie sollen bis Dezember auf vier Foren, die vom europäischen Zentrum für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung Prognos AG betreut werden, ihre Anregungen und Bedenken zu den ausgewählten Standorten vortragen.

Ziel sei es, so erklärte gestern der Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU), bis Ende des Jahres ein in sich abgestimmtes Konzept vorzulegen. In insgesamt 14 Bezirken sind nach dem Abschluß von Voruntersuchungen durch die Umweltverwaltung für sogenannte Abfallentsorgungs- und Recyclingzentren 22 Flächen vorgeschlagen worden. Daneben wurden fünf Standorte für eine neue Müllverbrennungsanlage ausgewählt.

Wicke verteidigte gestern noch einmal die Überlegungen seiner Verwaltung, auf dem ehemaligen Stadtgut Lindenhof in Pankow neben einem Umwelt- und Recyclingzentrum auch eine neue Verbrennungsanlage für Hausmüll zu bauen. Dies hatte in den vergangenen Monaten zu Protesten aus der Bevölkerung geführt, zumal die geplante Anlage nur drei Kilometer vom Klinikum Buch entfernt liegt. Wicke zeigte sich überzeugt, daß trotz der Nähe zum Klinikum eine Anlage mit einer Jahresleistung von rund 600.000 Tonnen „verantwortbar“ sei. Eine auf 200.000 Tonnen ausgelegte Kompostierungsanlage für Biomüll sei jedoch wegen der starken Geruchseinwirkungen „nicht beherrschbar“. Statt dessen, so die Vorstellungen der Umweltverwaltung, könnten dafür mehrere dezentrale Orte in Frage kommen.

Nach Ansicht der Umweltverwaltung kann Berlin trotz aller Anstrengungen bei der Reduzierung des Siedlungsabfalls auch künftig nicht auf die Verbrennung verzichten. Zudem, so Wicke gestern, dränge Brandenburg die Stadt „indirekt zur Verbrennung hin“, da Flächen für großflächige Kompostierungsanlagen (sogenannte Kalte Rotte) nicht zur Verfügung stünden.

Mit Abfallvermeidung und Recycling könne die jährlich anfallende Menge von 2,7 Millionen Tonnen Siedlungsabfall nur um die Hälfte verringert werden, so Wicke. Es bleibe eine „nicht verwertbare Restmenge von 1,4 Millionen“. Die Verbrennungsanlage in Ruhleben werde ihre derzeitige Jahreskapazität von 440.000 jedoch nur maximal auf eine halbe Million Tonnen erhöhen können. Dringend gehandelt werden muß, laut Wicke, auch wegen der bis 1995 befristeten Standortgenehmigungen für fünf Deponien im Brandenburger Umland, auf die Berlin seinen Hausmüll verbringt.

Für die 22 Standorte der Berliner Abfallentsorgungs- und Recyclingsanlagen kann sich die Umweltverwaltung mehrere Varianten vorstellen. So sei es denkbar, die Anlagen auf alle 22 Standorte oder aber nur auf zehn, fünf oder gar auf zwei Standorte zu verteilen, meinte gestern Umweltstaatssekretär Wicke. Solcherart „Konzentrationsmodelle“ sollen nun von den Bezirken in Zusammenarbeit mit der Prognos AG auf den Foren erarbeitet werden. Am Ende, dies machte Wicke noch einmal klar, müsse dann aber auch eine Entscheidung stehen. Dies gehöre zu einer „verantwortlichen Abfallentsorgungspolitik“. Severin Weiland

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