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„Ich war müde, Mann“

Jede Menge große Namen, aber ein löchriger Klangteppich beim Leichtathletik-Sportfest im Müngersdorfer Stadion  ■ Aus Köln Ralf Köpke

Knapp sieben Wochen ist es her, daß das Musik-Millionenunternehmen U 2 auf seiner Zoo-TV- Tour im Müngersdorfer Stadion in Köln Station machte. Über mehrere 10.000 Watt starke Lautsprechertürme und riesige Bildschirmwände peitschten Bono und „The Egde“ ihre Message von der Allmacht der Bilder, der ständigen Reizüberflutung ins Publikum.

Mit ganz anderen Reizen hatten es die etwa 20.000 Zuschauer beim Leichtathletik-Sportfest des ASV Köln zu tun: An gleicher Stätte war die Quadrophonie des Klatschens, Anfeuerns, Raunens und Schweigens angesagt. So ließ sich erahnen, wo, wie, welcher der mehr als 20 Wettbewerbe (davon mitunter fünf parallel) während der Drei- Stunden-Show gerade verlief. So kam der prasselnde Beifall von der gutbesetzten Gegentribüne immer dann, wenn die Weitspringer um Weltrekordler Mike Powell zum Flug ansetzten. Das Raunen aus der Ostkurve ließ immer wieder erahnen, daß Publikumsliebling Heike Henkel beim Hochsprung geflopt hatte – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der Höhe von 1,94 Meter stieg die Olympiasiegerin (mit übersprungenen 1,91 Metern) verletzt aus.

Aus der gegenüberliegenden Kurve gab es vereinzeltes rhythmisches Klatschen für die Stabhochspringer, und irgendwie leer, was die Geräuschbegleitung betrifft, gingen die Speerwerferinnen aus. Ab und zu sah man eine Wurflanze durch die Luft flattern, das war's dann aber auch schon. Der Klangteppich beim Grand-Prix-Meeting hatte große Löcher, denn die angekündigten Topleistungen blieben aus. Oder um es mit U 2 auszudrücken: „I still haven't found what I'm looking for.“

Genau das muß sich wohl auch Meeting-Direktor Manfred Germar gedacht haben. Mit 2,2 Millionen Deutschmark, dem bisher höchsten Etat, hatte er eine ganze Armada von Weltmeistern und Olympiasiegern an den Rhein gelockt. Garant für Weltklasseleistungen waren diese Verpflichtungen allerdings nicht. So zum Beispiel landete Mike Powell beim Weitsprung schon nach 8,39 Metern in der Grube, der Frauen- Hochsprung endete bei 1,97 Metern, der Brasilianer Barbosa lief über die 800 Meter erst nach 1,46.30 Minuten über die Ziellinie. Germar hatte zudem das Pech, daß mit den beiden Hürdensprintern Mark McKoy und Colin Jackson, den Sprinterinnen Merlene Ottey und Irina Priwalowa sowie dem Hürden-Mannequin Sandra Farmer-Patrick gleich fünf der sogenannten Stars kurzfristig nicht antraten.

100-Meter-Olympiasieger Linford Christie pokerte nach seinem Sieg über Carl Lewis 48 Stunden zuvor im englischen Gateshead um eine höhere Antrittsprämie (dort gab es bekanntlich eine Viertelmillion Mark) und lief schließlich die eigens für ihn ins Programm genommenen 200 Meter. Seine schlüssige Begründung: „Warum ich nicht die 100 Meter gelaufen bin? Ich war müde, Mann.“

Das müde gewordene Publikum wachte erst beim Schlußwettbewerb auf, den 3.000 Metern der Männer. Mit 7:34,98 Minuten gelang dem Kenianer Paul Bitok nicht nur ein Sieg über seinen Landsmann und Weltrekordler Moses Kiptanui, sondern auch die einzige Weltjahresbestzeit an diesem Tag. Organisator Manfred Germar hat es mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen. Ein Weltrekord hätte sein Budget um weitere 35.000 Mark belastet. Alles in allem war die „Weltklasse in Köln“, so mittlerweile der offizielle Name des ASV-Sportfestes, ein glanzloser Aufgalopp vierzehn Tage vor der Leichtathletik-WM in Stuttgart.

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