: Minister Wolf wehrt sich seiner Haut
Der Brandenburger Bauminister ist wegen eines dubiosen Grundstücksgeschäfts in die Schlagzeilen, die SPD seinetwegen in Bedrängnis geraten / Stolpe stützt den Minister ■ Aus Potsdam Anja Sprogies
Regine Hildebrandt hat das Image der brandenburgischen SPD geprägt: sozial, bescheiden und gerecht. Dazu will so gar nicht passen, daß gerade sie jetzt ihrem Kabinettskollegen Jochen Wolf den Rücken stärkt. Der Bauminister nämlich hat sich mit Hilfe des Stasi-IM und jetzigen Immobilienmaklers Axel Hilpert ein seenahes Grundstück in Groß-Glienicke, einem kleinen Ort westlich von Berlin, unter den Nagel gerissen. Zum Dank soll er Hilpert zu einem Millionengewinn verholfen haben.
Die brandenburgische SPD ist eine Jahr vor den Wahlen in Bedrängnis: Wolf denkt nicht an Rücktritt. Nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstandes sprach der SPD-Vorsitzende Steffen Reiche nur von einem „politisch ungeschickten“ Handeln Wolfs. Und auch Ministerpräsident Stolpe stellte sich gestern vor seinen Minister: „Aufgrund meines jetzigen Kenntnisstandes sehe ich keinen Anlaß zu personellen Konsequenzen.“
Wolf hat sein 860 Quadratmeter großes Seegrundstück von der Familie B. gekauft. Der Kaufpreis lag mit 87 DM den Quadratmeter ein Viertel unter dem sonst üblichen Marktwert. Das Geschäft wurde, wie Wolf bestätigte, von Hilpert vermittelt. Hilpert war seit 1977 Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit und Chefeinkäufer von Antiquitäten für die allseits bekannte „Kommerzielle Koordination“, die zum Imperium des DDR-Devisenhändlers Schalck- Golodkowski gehörte. Eine Maklerprovision wurde nicht bezahlt.
Das Grundstück in Groß-Glienicke hätte der Bauminister normalerweise gar nicht erwerben dürfen. Nach einem Beschluß des Gemeinderates sollten Gemeindegrundstücke nur an Ortsansässige oder Pächter zu dem Vorzugspreis verkauft werden.
Familie B., die seit Jahren auf dem Gelände eine Wochenlaube zur Pacht bewohnte, erwarb das Grundstück. Sie konnten aber nicht einmal den Vorzugspreis bezahlen. Neun Tage später stieg Wolf auf Vermittlung Hilperts in den Kaufvertrag ein.
Der Makler Hilpert wiederum hat laut Vox dank der Fürsprache des Bauministers in Seeburg Millionengewinne erzielt, indem er billig erstandenes Ackerland zu Baulandpreisen verkaufte. Hilfreich war Hilpert ein Schreiben von Wolfs Staatssekretär Horst Gräf, in dem die Möglichkeit der Umwandlung der Flurgrundstücke in Bauland bestätigt wurde. Ob das Gelände tatsächlich Bauland wird, steht nicht fest. Wolf bestreitet jeden Zusammenhang zwischen seinem Grundstückskauf und dem Schreiben seines Staatssekretärs. Er will gar nicht gewußt haben, daß sich Hilpert in Seeburg engagiert hatte. Gräf sagt, er habe Wolf nicht über das Schreiben an Hilpert informiert.
Nach Informationen des SFBaber haben Wolf und sein Staatssekretär Gräf das Projekt Seeburg doch stärker besprochen und gezielter befürwortet als bisher zugegeben. Dies gehe aus Unterlagen des brandenburgischen Bauministeriums hervor. Danach bemühte sich die Gemeinde Seeburg beim Potsdamer Bauministerium um eine Sondergenehmigung für die Bebauung eines Grundstückes. Minister Wolf schlug vor, den vorgelegten Bebauungsplan um das Flurstück 79, Hilperts Spekulationsobjekt, zu erweitern. Wolf erklärte gestern zu den Vorwürfen, daß der Bebauungsplan ausschließlich deshalb ergänzt wurde, weil ein entsprechender Antrag der Entwicklungsgesellschaft Seeburg vorgelegen hätte.
Nach einem dreistündigen nächtlichen Gespräch zwischen Stolpe und Wolf Ende vergangener Woche hatte sich der Ministerpräsident noch unzufrieden gezeigt. Eine Reihe von Detailfragen seien noch mit der „nötigen Gründlichkeit“ zu klären. In der Landespartei schlug erst nach den engagierten Worten von Frau Hildebrandt – „Ich bin der Meinung, Wolf ist unschuldig“ – die Stimmung zugunsten von Wolf um.
Die Arbeitsministerin gibt jedoch zu: „Mir hat noch nie jemand so ein Angebot gemacht. Komischerweise.“
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