: Rostocker Gemeinnutz
■ Milde Strafe für Teilnehmer an den ausländerfeindlichen Krawallen
Rostock (dpa) – Mit einer milden Strafe ist die Beteiligung eines zwanzigjährigen Arbeitslosen an den ausländerfeindlichen Krawallen im August 1992 in Rostock geahndet worden. Wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilte ihn das Amtsgericht Rostock am Dienstag zu sieben Tagen gemeinnütziger Arbeit. Außerdem muß er sich ein Jahr durch die Jugendfürsorge sozial betreuen lassen. Die Richter begründeten das geringe Strafmaß mit einem Entwicklungsdefizit des jungen Mannes, das die Anwendung von Jugendstrafrecht erfordere.
Der Angeklagte hatte nach Feststellung des Gerichts bei den tagelangen gewalttätigen Auseinandersetzungen Polizisten und Wasserwerfer mit Pflastersteinen beworfen. Drei Polizisten hatten den Zwanzigjährigen identifiziert. An einem anderen Tag der Rostocker Randale hatte der Beschuldigte nach eigenem Bekenntnis Eier gegen Ordnungskräfte geschleudert.
Die Richter führten am Dienstag zur Begründung des Strafmaßes an, der Zwanzigjährige habe seit seinem elften Lebensjahr in Heimen ohne erkennbaren Kontakt zu den Eltern gelebt. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch das Gericht bescheinigten ihm die Unfähigkeit, selbständig ein normales Leben zu führen. Beide Seiten erkannten ferner das Bemühen des Angeklagten, seit einem halben Jahr durch ein soziales Trainingsprogramm in der Gesellschaft Fuß zu fassen.
Während der mehr als 30 Prozesse gegen Randalierer von Lichtenhagen, die die Rostocker Justiz seit fast einem Jahr beschäftigen, war die Höhe des Strafmaßes mehrfach Gegenstand öffentlicher Kritik. Insgesamt waren bei den Krawallen vom August 1992 rund 200 Personen vorläufig festgenommen worden. In den bisherigen Verfahren wurden zumeist Jugendstrafen bis zu drei Jahren und Jugendarrest verhängt. Sechs Angeklagte müssen bis zu zweieinhalb Jahren verbüßen. Dreimal erging Freispruch und dreimal wurden Verfahren eingestellt.
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