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Post schafft Gewerberaum

■ Jetzt ist es amtlich: 42 Filialen machen dicht / Direktion garantiert Arbeitsplatzerhalt und Flächendeckung     Von Ulrike Winkelmann

Jetzt ist es offiziell: In Hamburg werden 42 von 157 Postämtern geschlossen. In den kommenden zwei Monaten, so bestätigten die Post-Chefs gestern Angaben der Postgewerkschaft aus der vorigen Woche, sollen die Ämter „abgewickelt“ werden (siehe Dokumentation). Zur Begründung nannte Peter Schmedes, Präsident der Oberpostdirektion Kiel und mit der Durchsetzung des „neuen Schalterkonzepts“ in Norddeutschland betraut, den „Nachfragerückgang um 27 Prozent in drei Jahren“.

Zwar gelte die verminderte Nachfrage weniger im Postdienst- als im Postbankbereich; da beide Dienstleistungen jedoch im selben Postamt stattfinden, entspreche es „modernen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, auf den Verlust jedes vierten Kunden mit der Schließung von Ämtern zu reagieren“, meinte Schmedes. Weil die in Hamburg betroffenen etwa 130 Beschäftigten nicht entlassen, sondern „schonend umgesetzt“ werden sollen, ergebe sich „bei Ein-sparung von Sachkosten ein verbesserter Service in den übrigen Ämtern“, erläuterte Hans-Jürgen Schulte-Uhlenbrock, Präsident der Postdirektion Hamburg, das Motto „weniger Kosten, mehr Service, und das flächendeckend“. Räumliche Nähe zum Kunden werde dadurch garantiert, daß kein/e StadtbewohnerIn über zwei Kilometer zum nächsten Postamt laufen solle.

Die Postgewerkschaft (DPG) bezweifelt den Sinn der Zwei-Kilometer-Regelung. „In Pauschalregelungen werden die Strukturen in den Stadtteilen nicht berücksichtigt“, so Horst Janßen, stellvertretender Vorsitzender der DPG Hamburg, „eine Einzelfallprüfung wäre hier angebracht. Die Postämter, die zugemacht werden sollen, liegen überwiegend in klassischen Wohngebieten mit vielen alten Menschen und Behinderten. Denen kommt es auf einen Kilometer Weg durchaus an.“ Die Schließungen seien keine Maßnahme zur Service-Verbesserung, sondern Rationalisierungsmaßnahmen, die Verminderung der Lebensqualität und Arbeitsplatzabbau zur Folge hätten: „Es wird ein Verdrängungswettbewerb stattfinden, in dem unkündbare Beamte an die Stelle von anderen Kräften rücken“, so Janßen. Um diese „bürger- und beschäftigtenfeindliche Kahlschlagpolitik“ zu verhindern, „sind jetzt die Politiker gefragt; die werden sich in Wahlkampfzeiten sicherlich mobilisieren lassen.“

Die Wirtschaftsbehörde hat bereits Protest eingelegt. Sie fühlt sich vom „Alleingang der Generaldirektion Postdienst“ übergangen. Sprecher Wolfgang Becker beschwert sich: „Üblicherweise werden bei solchen Konzepten Aspekte wie Stadtentwicklung, wirtschaftliche Interessen und Bebauungspläne mit uns abgesprochen. Die Post hat uns nicht einmal ihre Berechnungen offengelegt“. Auch die GAL zeigt sich bürgernah: Fraktionschef Martin Schmidt rief zur Teilnahme an Protestdemos der Postgewerkschaft (z.B. heute um 16 Uhr am Postamt Martin-Haller-Ring) auf. Die Abgeordnete Krista Sager forderte eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft.

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