: SPD-Führung: Joker Hickel ausgespielt
■ Rudolf Hickel, Ökonom, lief gestern drei Stunden lang als Bürgermeister-Kandidat
Der Erneuerer, der Bürgermeister Wedemeier im Raushaus ablösen soll, hat sich gestern gegen alle verabredete Regie selbst zu erkennen gegeben: Rudolf Hickel, Wirtschaftsprofessor an der Bremer Uni. Er würde als Bürgermeister kandidieren, wenn Wedemeier nicht mehr kandidiere, erklärte er nachmittags gegenüber Radio Bremen ganz offen.
Der parteilose 51jährige Ökonom war schon vor Wochen aus SPD-Spitzenkreisen angesprochen worden, plauderte er aus. Am Montag von „Buten&Binnen“ direkt gefragt, hatte er nur halb dementiert: gegen Wedemeier wolle er nicht konkurrieren. Wenn aber Wedemeier, wie auch immer, nicht mehr antrete, dann erwäge er eine Kandidatur, fügte er gestern hinzu. Schon seit Tagen führt er Sondierungsgespräche mit prominenten Bremer SPD-Köpfen.
Dieses Bekenntnis brachte den Fahrplan der Parteispitze der SPD gehörig durcheinander: Eigentlich hätte nämlich zunächst über programmatische Fragen und über das Verfahren der Kandidaten-Aufstellung entschieden werden sollen, das hatten jedenfalls Landesvorsitzender Kunick und Stellvertreterin Angelika Pensky gefordert.
Mitten in den Sommerferien hatten sich die beiden Flügelvertreter zusammengerauft, um die Reaktion der Partei auf die Ankündigung Wedemeiers zu beraten, 1995 wieder als Spitzenkandidat antreten zu wollen. Ohne sachliche und personelle Erneuerung drohe der SPD 1995 eine „katastrophalen Wahlniederlage“, schrieben die beiden in ein Antragspapier. Der neue Spitzenkandidat, so die beiden Vorstands-Vertreter, solle „auf der Basis einer breiten Beteiligung der Partei“ gefunden werden. Die Prämisse dieses taktischen Bündnisses im SPD-Landesvorstand: Der Sonderparteitag am 12. August soll sich zur Fortsetzung der Ampel-Koalition bekennen. Auf dieser Basis sollte dann die Kandidaten-Frage offen gestellt werden.
Wedemeier in dieser Deutlichkeit den Fehdehandschuh hinzuwerfen („Moderation reicht nicht“) kann sich eigentlich nur jemand leisten, der einen guten Joker im Ärmel hat. Dies allerdings war nicht der Fall: Hickel wollte nur, wenn Wedemeier 1995 aus irgendwelchen anderen Gründen nicht mehr will. Gestern Nachmittag, so erklärte Hickel am frühen Abend, sei ihm durch die Reaktion auf die Radio-Meldung deutlich geworden, daß seine Kandidatur benutzt werden sollte, Wedemeier in der kommenden Woche zum Rücktritt zu treiben. So und so plötzlich wolle er Wedemeier aber nicht beerben.
Und so hieß es um 19 Uhr: „Für eine Kandidatur um das Bürgermeisteramt stehe ich nicht zur Verfügung.“ Alle Spekulation auf den großen Erneuerer haben sich damit zerschlagen: Es gibt ihn nicht mehr.
Sollte der Landesvorstand dennoch am kommenden Mittwoch eine offene Kandidaten-Suche durch eine SPD-Mitglieder- Abstimmung beschließen, dann könnte sich ein anderer potentieller Kandidat genötigt sehen, aus der Deckung hervorzukommen und sich zu bekennen: Volker Kröning, der Finanzsenator. Er hat bisher die Demontage von Wedemeier nicht ohne Genugtuung verfolgt. Im Senat hat Kröning immer wieder versucht, sich als Gegenspieler zu Wedemeier zu profilieren. Während Kröning selbst einräumt, bei den kleinen Funktionären der SPD zuletzt wegen seiner Rolle als Sparkommissar nicht so viele Sympathien zu haben, schätzt er seinen Rückhalt bei der Mitgliederbasis sehr optimistisch ein. K.W.
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