Berliner Polizei entläßt ausländische Häftlinge

■ Polizei-Unterkünfte für Abschiebehäftlinge platzen aus allen Nähten / Beamte sollen weniger Ausländer festnehmen

Das kürzlich in Kraft getretene Asylrecht überfordert die Berliner Polizei. Die Polizeiführung hat nun die örtlichen Direktionen angewiesen, in ihren Sammelstellen die Abschiebehäftlinge nicht länger als zwei Tage in Gewahrsam zu halten. Grund: Die Unterkünfte sind so überfüllt, daß eine menschenwürdige Behandlung nicht mehr gewährleistet ist.

Wie Polizeivizepräsident Dieter Schenk gestern erklärte, hätten seit dem 1. Juli die für die Abschiebehaft vorgesehenen 136 Plätze nicht mehr ausgereicht, so daß auch auf die örtlichen Sammelstellen in den Direktionen zurückgegriffen werden mußte. Diese Unterbringung sei „aus rechtlichen und humanitären Gründen“ jedoch nicht länger hinnehmbar. Schenk räumte ein, daß die Polizei, die in Berlin für die Ausländerbehörde Amtshilfe leiste, durch die Zahl der Abschiebungen überrascht worden sei.

Nach den Schilderungen von Gernot Piestert, dem zuständigen Direktor der Landesschutzpolizei, hatten sich in den überfüllten Gefangenenstellen der örtlichen Direktionen mehrere Abschiebehäftlinge einen Raum teilen müssen. Die Menschen seien gezwungen gewesen, auf Matratzen auf dem Boden zu schlafen und ihr Essen im Stehen einzunehmen. Auch habe eine ausreichende Anzahl von Waschgelegenheiten gefehlt.

Piestert bestätigte gestern auch, daß er an die Mitarbeiter der Arbeitsgebiete Ausländer in den sieben Direktionen der Polizei die Anweisung erteilt habe, bis auf weiteres auf eigene Initiative keine Razzien gegen illegale Ausländer vorzunehmen. Dies solle nur dann geschehen, wenn hierfür richterliche Beschlüsse vorlägen oder die Ausländerbehörde im Landeseinwohneramt dies verlange.

Um Platz in den Abschiebestellen der Polizei zu schaffen, hat am Dienstag die Ausländerbehörde bereits 46 Personen entlassen. Ihre Haftdauer sei im öffentlichen Interesse nicht „zwingend erforderlich“ gewesen, sagte gestern der Leiter der Ausländerbehörde, Ulrich von Chamier. Er verwahrte sich gegen den Eindruck, daß dabei auch straffällig gewordene Ausländer entlassen würden. Die Betroffenen seien wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz (illegale Einreise oder Schwarzarbeit) in Abschiebehaft genommen worden.

Bereits vor Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes am 1. Juli waren die Zahlen der Personen, die in Abschiebehaft genommen wurden, stark angestiegen. Laut Ausländerbehörde sind in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 1.248 in Gewahrsam genommene Personen außer Landes gebracht worden – im gesamten Zeitraum des letzten Jahres waren es hingegen 1.217 Personen. Severin Weiland