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Menem im Machtrausch

Der Präsident Argentiniens will im Regierungspalast bleiben – der Verkauf des staatlichen Mineralölkonzerns YPF soll Wiederwahl erleichtern  ■ Von Astrid Prange

Rio de Janeiro / Buenos Aires (taz) – Eine Amtszeit als Präsident von Argentinien reicht ihm nicht. Carlos Menem will auch noch die Jahrtausendwende im Regierungspalast in Buenos Aires feiern können. Dabei soll ihm die Privatisierung des größten argentinischen Staatskonzerns, „Yacimientos Petroliferos Fiscales“ (YPF), behilflich sein. Von dem Verkauf des Mineralölkonzerns verspricht sich der argentinische Präsident Einnahmen in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Dollar. Der erste Teil des Verkaufsprozesses soll im August abgeschlossen sein.

Carlos Menem hat es eilig. Denn im September werden die Schuldentitel der staatlichen Rentenversicherung, „Bonos de Consolidacion“ (Bocon), fällig. Die argentinische Regierung steht bei ihren Rentnern mit 2,5 Milliarden Dollar in der Kreide.

Falls sie das Geld nicht bis zu den bevorstehenden Parlamentswahlen am 3. Oktober zusammenbekommt, könnte dies die Mehrheitsverhältnisse zu ihren Ungunsten beeinträchtigen.

Menem braucht im Parlament solide Mehrheitsverhältnisse, um die von ihm angestrebte Verfassungsänderung durchzudrücken. Ohne die Reform ist Menems erneuter Einzug in den Regierungspalast ausgeschlossen, denn nach geltendem Recht ist die unmittelbare Wiederwahl eines Präsidenten in Argentinien verboten.

Sollten die frischgewählten Volksvertreter dem Wunsch des Präsidenten nicht nachkommen, will Menem sie mit Druck gefügig machen: Etwa einen Monat nach den Parlamentswahlen, so Innenminister Gustavo Beliz, werde die Regierung das Volk direkt zur geplanten Verfassungsänderung befragen.

Argentiniens Ex-Präsident Raul Alfonsin, Anführer der größten Oppositionspartei „Uniao Civica Radical“ (UCR), befürchtet, daß durch die Privatisierung der YPF das staatliche Treibstoffmonopol schlicht durch ein privates Kartell ersetzt wird. Präsident Menem würde der Bevölkerung etwas vorgaukeln, wenn er beteuere, die Regierung könne auch nach der Privatisierung noch Einfluß auf die Konzernpolitik nehmen.

Tatsächlich schreibt die argentinische Verfassung vor, daß lediglich 58 Prozent der YPF-Aktien veräußert werden dürfen. Ein Drittel des Vermögens bleibt auch nach der Privatisierung in den Händen des Staates, zehn Prozent der Aktien sind für die Arbeiter und Angestellten des Mineralölkonzerns reserviert. In einer ersten Verkaufsphase, die bis Anfang August dauert, sollen schon mal 35 Prozent der YPF-Aktien den Besitzer gewechselt haben.

Der Mineralölkonzern, für 65 Prozent der Treibstoffproduktion in Argentinien verantwortlich, ist einer der kostbarsten von „Großmutters Juwelen“, wie die Staatsbetriebe in Argentinien liebevoll genannt werden. Die Firma mit einem Jahresumsatz von vier Milliarden Dollar, davon 256 Millionen Dollar Reingewinn, wird bereits seit drei Jahren für den bevorstehenden Verkauf getrimmt. Von den ursprünglich 51.000 Angestellten arbeiten heute nur noch 10.600 Argentinier und Argentinierinnen für das Unternehmen.

Der Verkauf von Großmutters Juwelen hat der argentinischen Regierung in den vergangenen drei Jahren 12,4 Milliarden Dollar, davon 4,8 Milliarden Dollar in Bargeld, den Rest in Schuldentiteln, eingebracht. Firmen wie die Telefongesellschaft „Entel“, die Fluglinie „Aerolinas Argentinas“, 10.000 Kilometer Bundes- und Landstraßen, Eisenbahnen und Häfen sind bereits in private Hände übergegangen.

Mit der radikalen Veräußerung von Omas Erbe schaffte es Wirtschaftsminister Domingo Cavallo bisher einigermaßen, die Löcher im argentinischen Staatshaushalt zu stopfen. Der Erfolg drosselte die Inflation auf monatlich unter ein Prozent.

Als krönenden Abschluß der Privatisierung nimmt Menem nun ein wahres Vollbad im schwarzen Goldschaum. Bleibt nur die Frage offen, wie Argentinien denn in Zukunft ohne diese zusätzlichen Einnahmequellen seine Auslandsschulden bedienen und die erhöhten Sozialausgaben bestreiten soll. Aber darum kümmert sich der Präsident zur Zeit nicht. Er träumt von seiner Wiederwahl und einem nebulösen Wirtschaftswachstum.

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