: Gelber Sack giftig
■ Ausgasung von Benzolen / BEB: „Keine Panik“
Die Müllberge stinken zum Himmel, vielen Menschen stinkt inzwischen der grüne Punkt und seit gestern stinkt offiziell auch der Gelbe Sack. Das Sozialministerium in Hannover hat jetzt vorsorglich vor möglicherweise gesundheitsschädlichen Gelben Müllsäcken gewarnt. Bei einer Untersuchung sind in Gelben Säcken, die in der Stadt Hannover benutzt werden, überdurchschnittlich starke „Ausgasungen“ von flüchtigen Kohlenwasserstoffen wie Xylol oder Toluol gemessen worden. Allerdings lägen die Werte der einzelen Stoffe deutlich unter einer Gesundheitsgefährdung. Die Stadt Hannover lehnt es deshalb ab, die Gelben Säcke zurückzuziehen.
Als Vorsichtsmaßnahme rät das Sozialministerium, die gelben Säcken möglichst nicht in der Wohnung oder in einem schlecht belüfteten Raum aufzustellen. Auch in der Nähe von Lebensmitteln haben die Müllbeutel nichts verloren. Denn die festgestellten Benzolverbindungen können sich im Fett von Lebensmitteln anreichern.
Anlaß für die Untersuchung waren Bürgerbeschwerden in Hannover über die stinkenden Säcke. Insgesamt sind in der Stadt bisher sechs Millionen Stück verteilt worden. Die untersuchten Müllsäcke stammen von einem der drei Hersteller, von denen Hannover den Gelben Sack bezieht. Zur Frage der Ursache gebe es beim Medizinaluntersuchungsamt „Erkenntnisdefizite“, erklärte die Umwelttoxikologin Helga Dieckmann.
Auch in Bremen weiß niemand so richtig, wie er diesen erneuten Schlag gegen das System des Kunststoffrecyclings bewerten soll. „Keine Panik“ ist daher die Devise der Bremer Entsorgungs Betriebe (BEB). Wer schon einen Gelben Sack im Haus hat, sollte ihn „auf starken Geruch hin überprüfen“ und sich dann nach den Vorschlägen des niedersächsischen Sozialministeriums verhalten. Die BEB wollen ihre Lieferungen von Müllsäcken überprüfen und die bisher eingesetzten Säcke in einem Schnellgutachten untersuchen lassen.
Rätselraten herrscht allgemein auch noch über den Ursprung des Gestanks aus den Säcken. Zur Herstellung werden wiederaufbereitete Kunststoffe verwendet. Im Verdacht haben die behördlichen Schnüffler aber auch den Aufdruck auf den Säcken, dessen Farbe möglicherweise verunreinigt sei. Wegen all der Ungewißheit fordern die niedersächsischen Grünen das endgültige Aus für den „giftigen“ Gelben Sack: „Nicht genug, daß mit diesem Entsorgungssystem keine einzige überflüssige Verpackung vermieden wird, nicht genug, daß Umweltfreundlichkeit vorgegaukelt wird, nicht genug, daß Mehrweg ins Hintertrefen gerät. Jetzt auch noch giftige Gase in den Haushalten — das ist mehr als genug. Der grüne Punkt gehört endgültig und unrecycelt auf den Müllaufen der Geschichte.“ Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen