: EG-Vermittler gegen Militäraktionen
Izetbegović-Delegation will rund 50 Prozent des bosnischen Territoriums für die künftige „muslimische „Teilrepublik“ / Genfer Verhandlungen sollen am Montag weitergehen ■ Aus Genf Andreas Zumach
Mit Blick auf die Brüsseler Nato-Ratstagung am Montag haben die Bosnien-Vermittler von EG und UNO, Lord David Owen und Thorwald Stoltenberg, gestern vor militärischen Maßnahmen gegen serbische Stellung in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik gewarnt. Beide erklärten, militärische Maßnahmen, wie etwa Angriffe auf serbische Stellungen um Sarajevo, seien – wenn überhaupt – nur dann sinnvoll, wenn sie den Genfer Verhandlungsprozeß beförderten. Das sei derzeit jedoch nicht der Fall.
Auch können derartige Maßnahmen nach Ansicht des Vermittler-Duos nicht von der Nato allein, sondern nur im Rahmen der UNO, nach einem Beschluß des Sicherheitrates, sowie auf Befehl von UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali erfolgen. Die des öfterten geäußerte Auffassung, mit der Resolution 770 des Sicherheitsrates vom 22. August 1992 seien bereits sämtliche Grundlagen für ein militärisches Handeln einzelner Staaten, Staatengruppen oder regionaler Organisationen gegeben, wiesen die beiden Vermittler entschieden zurück. Eine entsprechende Auffassung hatte sowohl US-Außenminister Christopher in seinem Schreiben an die Nato-Tagung Anfang dieser Woche wie auch der türkische Außenminister Cetin am Donnerstag in einem taz- Gespräch vertreten.
Die am Donnerstagabend für eine „Denkpause“ unterbrochenen Genfer Verhandlungen sollen nach Genfer Vorstellung am Montagabend wieder aufgenommen werden. Owen und Stoltenberg erwarten, daß sich die bosnisch-serbischen Truppen um Sarajevo bis dahin von strategischen Positionen auf den Bergen Igman und Bjelasnica zurückziehen und daß damit die Bedingung des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović für weitere Direktverhandlungen zwischen den drei Kriegsparteien erfüllt sind. Die „Denkpause“ wurde von den beiden Vermittlern auch damit begründet, daß sich die bosnische Delegation Izetbegovićs noch über Details ihrer Position einigen müsse. Izetbegović hatte bei den bislang geführten Verhandlungsrunden über die territoriale Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in drei Teilrepubliken noch keinen eigenen Kartenvorschlag auf den Tisch gelegt, sondern nur schon bekannte Verfassungs- „Prinzipien“ bekräftigt. Danach müsse die künftige bosnisch-muslimische Teilrepublik „überlebensfähig“ sein und müsse „mehr“ als die von den beiden Vermittlern vorgesehenen 30 Prozent des bisherigen bosnischen Staatsgebietes umfassen.
Unter den in Genf vertretenen Mitgliedern des Staatspräsidiums wie auch in Kreisen der bosnischen Opposition zirkulierte gestern allerdings auch nebenstehende Karte, die der Präsident möglicherweise nächste Woche auf den Verhandlungstisch legen wird. Die dort eingezeichnete Teilrepublik für die bosnischen Muslime, in der nach der Vorstellung der Izetbegović-Delegation aber auch Serben und Kroaten weiterhin leben können, umfaßt rund 52 Prozent des bisherigen, in der jugoslawischen Verfassung von 1964 festgelegten bosnischen Gebietes und macht deutlich, was Izetbegović mit dem Prinzip einer „überlebensfähigen“ Republik meint: Bosnische Minimalforderung ist der Zugang zur Adria auf dem Landwege, sowie Straßen zu den Flüssen Save und Drina. Außerdem sollen laut dieser Karte sowohl Mostar in Zentralbosnien wie die muslimischen Enklaven in Ostbosnien zu der bosnisch-muslimischen Teilrepubik gehören.
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