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Ein hanseatischer Schmetterling?

■ HSV-Novizen wußten beim 5:2 gegen Nürnberg zu gefallen

In traditionellster Weise – zwangsläufig erinnern wir uns an Mister Libero himself, den Strauß-Spezi Franz – endete die Begegnung von Neu-Libero Michael Kostner mit dem HSV-Fragebogen:

Gehen Sie öfter ins Kino? Nein.

Ins Theater? Nein. In die Oper? Nein. In ein Musical? Nein.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen? -.

Der Grünling, ein Teil des neuen Glückskleeblattes beim HSV, hat die letzten zehn Jahre halt gebolzt und ist ansonsten früh schlafen gegangen. Bei Michael Kostner - sein Sohn heißt Kevin - handelt es sich um einen, der seine Leidenschaft professionalisiert hat, um einen jedoch, der, laut Benno Möhlmann, „sein Talent seinem Alter von 24 Jahren entsprechend noch nicht richtig entfalten konnte.“ Freitag abend, zum Auftakt der 31. Bundesligasaison gegen den 1.FC Nürnberg, durften 23 150 Zuschauer das erste Verpuppungsstadium der Ludwigsfelder Raupe in einen hanseatischen Schmetterling miterleben. Spektakulärer jedoch als die Kostnersche Zweikampfleistung, war der Einstieg von zweien seiner drei Kleeblattkollegen. Die Anzahl der Tore, die Valdas Ivanauskas (zwei), und Jörg Albertz (ein Traumtor) in Zusammenarbeit mit Kapitän Thomas von Heesen (zwei) erzielten, entsprachen, das sei den Statistikfans zuliebe angemerkt, genau einem Satz Zehen am Fuß des Möhlmannschen Nachwuchses Benedikt.

Sicher ist auch, daß die Volkspark-Equipe zuletzt am 1.6.1991 in heimischen Gefilden gegen St. Pauli (5:0) fünf Tore erzielte und nicht vor sechs Jahren gegen Schalke, wie in den Medien von „Sportstudio“ bis „ran“ und HSV-Pressesprecher Kurt Emmerich fälschlicherweise berichteten. Die Tore allein jedoch machten die Güte des Spiels nicht aus. Vom ersten Zarate-Treffer in der zweiten Minute, bis zum letzten „Ivan“(-auskas) Tor in der 90. kam selbst Pokerface Heribert Bruchhagen vor lauter Spannung nicht zum Händereiben. Technik, Eleganz und Spielwitz der Nürnberger, vorallem von Flokati-Mähne Sergio Zarate, unterhielten zwar erstklassig, kompensierten jedoch nicht die Abwehrschwächen. Der neue HSV überzeugte, fast wie einst St. Pauli, weniger durch Eleganz als durch schier unermüdlichen Einsatz. Der vierte Neuzugang aus Aarhus, Stig Töfting (“Wegen mir werden ein paar Tausend mehr ins Stadion kommen“), personifiziert mit seinem ebenso schnörkellosen wie zuverlässigen Spiel den neuen Kurs. Lorbeeren wollen sie halt sammeln, die Spieler um Thomas von Heesen, die eine der jüngsten Mannschaften im diesjährigen Bundesligazirkus stellen.Den Fans, deren Alltag auch eher arbeitsreich denn elegant verläuft, gefiel's: Man blieb nach Abpfiff noch ein Weilchen.

Trainer Benno Möhlmann gab sich bescheiden: „Ich freue mich einfach, daß wir gewonnen haben, sehe aber noch Abstimmungsschwierigkeiten in der Abwehr. Es ist jedoch immer schön, noch Ansatzpunkte fürs Training zu haben.“

Vorbei also die Zeiten, in denen man bei Heimspielen der Hamburger eine halbe Stunde Wurstholen gehen konnte, ohne etwas zu verpassen?

Auch wir bleiben bescheiden und bemühen Max Merkel:“Wie sich die Zeiten doch ändern. Aber vielleicht ändern sie sich wieder.“

Claudia Thomsen

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