piwik no script img

■ KommentarSchweigen oder schreiben?

Seit über einer Woche halten unbekannte Erpresser die Betreiber des Atommeilers in Krümmel und die zuständigen Kieler Ministerien mit einer Bombendrohung in Atem (Bericht Seite 2). „Top secret“ blockten die Behörden ab. Und schwiegen. Seit einigen Tagen wissen auch einige Medienvertreter von dem Erpressungsversuch, darunter die taz. Auch wir haben bis heute geschwiegen. Warum?

Es gibt viele Indizien dafür, daß die Erpresser nicht die geforderten anderthalb Millionen, sondern öffentliche Aufmerksamkeit haben wollen. Wer Geld erpressen will, teilt für gewöhnlich mit, wie die Übergabe vorsich gehen soll. Die Verfasser des Briefs aber vergaßen dieses wichtige Detail. Das Schreiben ist zudem in einem pseudolinks-terroristischen Vokabular (“Kommando 5. August“) verfaßt, weicht aber nach Einschätzung der Kripo in wesentlichen Punkten von der Machart bisher bekannter Bekenner- und Forderungsschreiben ab. Eine dilettantische Kopie also?

Eine Bombendrohung gegen einen Atommeiler – Stoff, aus dem Panik entstehen kann. Sie auszulösen, ist wahrscheinlich das einzige Ziel der angeblichen Erpresser. Geht das Kalkül auf, stehen Nachahmer schnell Gewehr bei Fuß.

Wir wollten nicht zum Spielball im unverantwortlichen Spiel der Panikmacher werden und haben uns deshalb entschieden, nicht als erste die Erpressung öffentlich zu machen. Zweifel sind geblieben: Was ist, wenn die Erpresser wirklich ernst machen? Wer will dann die Verantwortung übernehmen, von allem gewußt, die Öffentlichkeit aber nicht rechtzeitig gewarnt zu haben?

Der Konflikt verweist einmal mehr auf das Bedrohungspotential im Atomstaat Deutschland. Er zeigt, daß angesichts der horrenden Gefährlichkeit dieser Technologie Atomkraftbetreiber und Aufsichtsbehörden, ja sogar die Presse der Bevölkerung wichtige Informationen verschweigen, wenn sie meinen, daß deren Veröffentlichung mehr schaden als nutzen würde.

Die Grünen haben nun den Stein ins Rollen gebracht. Sie haben die Geesthachter von der Bombendrohung informiert. Gegen Panik und Verunsicherung hilft jetzt nur noch eins: rückhaltlose Aufklärung. Deshalb brechen wir heute unser Schweigen. Andere mögen das Gleiche tun. Marco Carini

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen