: Kein Frieden bei „Frieden jetzt“
Sie wollten von Split nach Sarajevo marschieren, um gegen den Krieg in Bosnien-Herzegowina zu protestieren. Zur Schau gestellt haben die internationalen Friedensdemonstranten von „Mir Sada“ jedoch vor allem die eigene Hilflosigkeit
Der Versuch, eine internationale Friedensdemonstration aus dem kroatischen Split in die bosnische Hauptstadt Sarajevo zu führen, ist gescheitert. Diese pessimistische Einschätzung äußerten gestern auf einer Pressekonferenz in Split die Organisatoren der Aktion „Mir Sada“ (Frieden jetzt), deren Aufruf Tausende von Menschen aus Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, den USA und anderen Ländern Folge geleistet hatten. Denn es sei nicht gelungen, mit dem begleitenden humanitären Hilfskonvoi nach Sarajevo durchzukommen. Das Gros der Demonstranten, die im westherzegowinischen Prozor seit Tagen auf ein Weiterkommen gewartet hatten, hat die Aktion abgebrochen und ist nach Split zurückgekehrt. Ein kleiner Teil der Demonstranten, etwa 58, ist noch da und versucht immer noch, weiterzukommen (siehe unten). Einigen von ihnen scheint es in zwei Autos gelungen zu sein, bis ins zentralbosnische Zenica vorzudringen, wurde auf der Pressekonferenz vermeldet. Eine andere Gruppe habe einen Hungerstreik vor einer UN-Basis zwischen Tomislavgrad und Prozor begonnen.
Um die Demonstration doch noch zu einem guten Ende zu bringen, wurde von italienischer Seite vorgeschlagen, alle Demonstranten noch einmal rund um die zwischen der bosnischen Armee und der bosnisch-kroatischen HVO umkämpfte Stadt Mostar zu vereinigen und eine Abschlußkundgebung abzuhalten. Von Pošušje und Medjugorje aus sollen dafür die Demonstranten am heutigen Montag bis an die Stadtgrenze Mostars geführt werden, erklärte Don Albino Dizzotto von der italienischen Organisation „Beati i Constuttori di pace“. Allerdings könne kein Versuch unternommen werden, auf die von der bosnischen Regierungsarmee gehaltene Seite der Stadt zu gelangen.
Nicht nur die äußeren Umstände haben die Aktion scheitern lassen. Allein schon die Tatsache, daß die einzelnen nationalen Gruppen sich schwer taten, eine Koordinierung der Aktivitäten zustande zu bringen, verärgerte manche, die angereist waren. So zum Beispiel die Politiker der polnischen Delegation, die angesichts des Tohuwabohus die Konsequenzen zogen und am Samstag abreisten. Die humanitäre Hilfe der Polen soll jedoch nach separaten Verhandlungen mit den Vereinten Nationen mit deren Hilfe nach Sarajevo geleitet werden.
Auch politische Differenzen zeigten sich. So klammerten die Organisatoren jegliche politische Standortbestimmung der Demonstration aus. Es blieb bei der abstrakten Parole „Frieden jetzt“. Das ungute politische Gefühl mancher Teilnehmer wurde bestätigt, als Alain Michel, Leiter der französischen Hilfsorganisation „Equilibre“, die Katze aus dem Sack ließ: In den Gesprächen mit der Führung der selbsternannten „Serbischen Republik Bosnien“ war den Organisatoren der Aktion „Mir Sada“ schriftlich angetragen worden, Serben aus Sarajevo herauszubringen. Dies sei von „Equilibre“ strikt abgelehnt worden.
Doch schon die Tatsache, daß die Organisatoren sich darauf eingelassen hatten, über solche nationalistischen Forderungen zu diskutieren, erregte manche Demonstranten. Die Gutwilligkeit derjenigen, die mit dem ernsten Anliegen des Friedens angereist waren, schien politisch ausgenützt. Leider, so ein italienischer Teilnehmer, zeigten sich die national verschiedenen Sichtweisen auch bei den Demonstranten. Der Friedensaktivist Henning Zierock aus Tübingen zum Beispiel monierte, daß das Engagement für die multikulturelle Identität Sarajevos, daß die politische Stellungnahme gegen den Nationalismus zu kurz gekommen sei. Dabei mag es für die rund 50 Deutschen tröstlich sein, daß sie gar nicht zum Zuge kamen und damit auch für den Fehlschlag der Veranstaltung nicht verantwortlich zu machen sind. Immerhin kam von der deutschen Delegation ein origineller Gedanke: Alle Friedenskonferenzen sollten fortan in Sarajevo stattfinden. Erich Rathfelder, Split
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen