: Rußland eilt sich selbst zu Hilfe
■ Auf dem zentralasiatischen Gipfel in Moskau scharte Jelzin die Bruderstaaten um sich / Anschuldigungen gegen Afghanistan und Appell an tadschikische Machthaber
Moskau (taz) – Eine kleine Weltpremiere war es schon, das Treffen Boris Jelzins mit den Staatsoberhäuptern vierer mittelasiatischer Staaten am Samstag in der russischen Hauptstadt. Daß sich Moskau speziell und nur mit diesen Nachbarn um einen runden Tisch setzt, dieser – für Rußland als eurasische Brückenmacht eigentlich längst überfällige – Schritt wird nun durch die Not diktiert: der Bürgerkrieg in Tadschikistan hat sich unter Beteiligung russischer Truppen über die Grenze nach Afghanistan ausgeweitet. Und wenn man vielleicht in gewissen Kreisen des russischen Militärs den bis zum Ende ausgebliebenen Sieg in Afghanistan gar nicht ungern jetzt nachholen würde, so kann doch Boris Jelzin diese außenpolitische Eskalation nicht gebrauchen.
Indem sie am Samstag zusammen mit dem russischen Präsidenten die tadschikisch/afghanische Grenze und deren Verteidigung – einschließlich der Entsendung von Truppen – zu ihrer gemeinsamen Angelegenheit machten, haben Jelzins Kollegen aus Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan es den Russen erspart, allein als Bösewichte in der Region dazustehen.
Am gleichen Tage kam es zu gegenseitigen Beschuldigungen zwischen Kabul und Moskau: Afghanistans Außenminister Hidayat Amin Arsalla erklärte öffentlich, im letzten Monat seien in seinem Lande 300 Menschen durch russische Bomben ums Leben gekommen und Tausende obdachlos geworden. Arsalla drohte mit Revanche, falls die Aktionen fortgesetzt würden, erklärte aber gleichzeitig seine bereitschaft, zu vermitteln. Die Teilnehmerstaaten am kleinen Wochenend-GUS-Gipfel sprechen dagegen von einem „Anfachen des bewaffneten Konfliktes“, das in letzter Zeit vom afghanischen Territorium ausgehe. Sie bitten, den Konflikt auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrates zu setzen und UN-Beobachter zu entsenden.
GUS-intern fordern sie die tadschikische Regierung zum Dialog mit der eigenen Opposition ohne Ansehen der Gruppierung auf. Die in Tadschikistan herrschende Gruppe von ehemaligen Partokraten hatte im vorigen Jahr eine islamisch-demokratische Opposition mit Waffengewalt bezwungen und alle Parteien, außer der kommunistischen, verboten.
Ein wenig trübt Jelzins diplomatischen Erfolg, daß der indirekt von dem Konflikt am stärksten betroffene GUS-Staat, Turkmenistan, bei den Unterhandlungen am Samstag nur durch einen Beobachter vertreten war. Turkmeniens Präsident Saparmurat Nijasow, der im eigenen Lande eine breite politische Koalition anstrebt, hat nicht einmal eine adäquate Armee, um die eigene, 854 km lange Grenze zu Afghanistan zu bewachen. Er pflegt daher seine Freundschaft mit den Gebiets-Fürsten unter den Mudschaheddin im Nachbarland. Turkmenistan stehe bei der Lösung des tadschikischen Problems dennoch nicht beiseite, verkündete er kürzlich: man habe bereits 70.000 Flüchtlinge aus Tadschikistan aufgenommen, verpflegt und untergebracht. Barbara Kerneck
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