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Foltermethoden

■ In der Psychiatrie werden Kranke wieder mit Elektroschocks behandelt

New York (dpa) – Elektroschocks als Behandlungsmethode in der Psychiatrie galten lange Zeit als staatlich finanzierte schwere Folter von Patienten. Festgeschnallt auf einem Tisch, Elektroden an den Schläfen befestigt, wurden Stromstöße durch den Körper der Unglücklichen gejagt, oft so schwer, daß sie sich Zähne ausbissen oder daß unkontrollierte Muskelkontraktionen zu Knochenbrüchen führten.

Die Therapie mit Elektroschocks schien in den 70er Jahren, nachdem schon vorher zahlreiche Experten dagegen protestiert hatten, ausgedient zu haben. In den staatlichen Kliniken wird sie auch kaum noch angewandt, dafür aber immer häufiger in Privatkrankenhäusern, heißt es in einer neuen Übersicht der New York Times. Schwere Depressionen, die auch mit Medikamenten nicht zu behandeln sind, sind häufiger Anlaß. Der Patient muß sich normalerweise während einer dreiwöchigen Behandlung acht bis zwölf Schocks unterziehen. Über die Zahl der Patienten gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Das National Institute for Mental Health geht von etwa 110.000 pro Jahr aus, während Praktiker nur mit 30.000 bis 50.000 rechnen.

Vereinigungen, in denen Patienten und ihre Familien zusammenarbeiten, fordern inzwischen schon leichteren Zugang zur Schockbehandlung. Sie wird heute allgemein unter Narkose durchgeführt, und muskellösende Medikamente sorgen dafür, daß Körperverletzungen nicht zu befürchten sind. Als größte Gefahr gilt Gedächtnisverlust – zeitweise oder auf Dauer. In Extremfällen haben Patienten geklagt, daß sie sich an nichts mehr aus dem Jahr vor der Behandlung und aus dem Jahr danach erinnern können. Die meisten Ärzte sind überzeugt, daß sich das irgendwann wieder gibt, und sie wollen die bizarr anmutende Extrembehandlung schwerer Depressionen nicht aufgeben. Helmut Räther

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