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Ärzte sollen Siemens boykottieren

■ Konzern soll aus Atomgeschäft aussteigen / Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) organisieren Boykott

München (AP) – Mit einem weltweiten Boykott der medizinischen Geräte der Firma Siemens wollen die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) den Ausstieg des deutschen Konzerns aus dem Atomgeschäft erreichen. Wie der Geschäftsführer der deutschen Sektion der Organisation, Michael Roelen, gestern in München mitteilte, sollen voraussichtlich ab Ende September Ärzte in den 70 Mitgliedsländern sowie die 10.000 Mediziner der deutschen Sektion der IPPNW aufgefordert werden, die Produkte von Siemens nicht mehr zu kaufen.

Dazu erklärte Sprecher Norbert Böcker der Siemens AG in München, daß der Konzern „auf beiderseitigen Wunsch“ mit der IPPNW in einem Dialog stehe. Diesen Gesprächen könne der jetzige Boykottaufruf jedoch nicht förderlich sein. Für gerichtliche Schritte sei es aber zu früh. Der Aufruf sei Teil einer internationalen Kampagne, die auf ein Verbot der Herstellung von Plutonium bis zur Jahrtausendwende ziele, erklärte die IPPNW.

Nach den Worten des ehemaligen Geschäftsführers der Ärzteorganisation, Till Bastian, soll dem Konzern durch die Aktion eine „Ausstiegshilfe“ gegeben werden. Der Anteil des Umsatzes des Atomgeschäfts am Gesamtumsatz des Konzerns sei nach Einschätzung der IPPNW schon von 20 auf zwei Prozent gesunken. Gleichzeitig erhoffe man sich von der Kampagne, die auch durch eine Anfrage im Bundestag unterstützt werden soll, ein Ende der Produktion von Mischoxid-Brennelementen durch Siemens in Hanau.

In einer jetzt in Deutschland vorgelegten Studie der IPPNW von Ende 1992 warnt die Organisation vor den „stillen und tödlichen“ Gefahren der rund 520 Tonnen Plutonium, die es nach den Feststellungen der Ärzteorganisation auf der Erde gibt. Werde ein Verbot des „Narrengolds des Atomzeitalters“ nicht in den 1995 zu erneuernden Atomwaffensperrvertrag aufgenommen, so sei nach den Worten Bastians bis zum Jahr 2000 mit einer Verdreifachung der Zahl der Atommächte von den bisher offiziell bekannten acht Staaten auf 20 bis 25 Länder zu rechnen.

Eine weltweite Ächtung von Plutonium sei erforderlich, so sagte Bastian. „Plutonium darf nicht mehr als Rohstoff behandelt werden, sondern als das, was es wirklich ist, als tödliches Gift.“ Schon 27 Mikrogramm des Elements Plutonium 239 reichten aus, um beim Menschen Lungenkrebs auszulösen. Rund 700.000 Menschen seien seit den ersten Atomversuchen durch Atombomben und Tests getötet worden.

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