: Molan entledigt sich seiner Altlasten
■ Was bleibt zwei Jahre nach Schließung des Hemelinger Schaumstoff-Werks: Giftfässer und verweigerte Löhne
Klaus-Jürgen Dittrich versteht etwas von Geschäften. Mit ausgeklügelten Umstrukturierungen seines Bremer Chemie-Unternehmens „Molan“ hat er sich bis heute sowohl um die Sanierung eines hochvergifteten Firmengrundstücks in Hemelingen herumgedrückt als auch die finanziellen Ansprüche seiner vor zwei Jahren gefeuerten Hemelinger Belegschaft von weit über einer halben Million Mark an eine zahlungsunfähige Briefkastenfirma verschoben. Versüßt wurde Dittrichs „Unternehmenspolitik“ gleichzeitig noch mit einem saftigen Zuschuß der Bremer Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft.
Von einer „tickenden Zeitbombe“ war die Rede, als die taz im Mai 1992 zum ersten Mal über den Giftmüll auf dem stillgelegten Molan-Firmengelände an der Sebaldsbrücker Heerstraße 175 berichtete. Tonnenweise lagerten damals hochgiftige Chemikalien der im Juni 1991 eingestellten Schaumstoffproduktion in vergammelten Lagerhallen oder sogar unter freiem Himmel. Bis heute hat sich daran kaum etwas geändert. Dutzende Fässer mit „Chemikalien unklaren Inhalts“ (so ein Molan-Anwalt vor Gericht) stehen noch heute auf dem kaum gesicherten Firmengelände. Sie sind inzwischen lediglich in einer der wenigen Lagerhallen zusammengeschoben worden, die noch über ein regendichtes Dach verfügen.
„Klaus-Jürgen Dittrich hat sämtliche Mittel ausgenutzt, um die Sache so lange wie möglich hinauszuzögern“, sagt Elzbieta Maahs, zuständige Mitarbeiterin des Wasserwirtschaftsamtes und Leiterin der Behörden-Arbeitsgruppe für die Sanierung des vergifteten Firmengeländes mitten zwischen Hemelinger Wohnstraßen. Erst nach zahlreichen Gerichtsverfahren hat der Molan- Chef inzwischen die Schlüssel herausgerückt, so daß ein Behörden-Gutachter in der kommenden Woche mit der Entnahme von Bodenproben beginnen kann. Mit einem Ergebnis dieser Untersuchungen ist allerdings nicht vor November zu rechnen. Erst danach wird Dittrich eine offizielle „Sanierungsverfügung“ mit genauen Auflagen und einem Zeitplan ins Haus bekommen.
Ob der Molan-Chef sich daran allerdings halten wird, ist völlig offen. Schließlich hat Klaus-Jürgen Dittrich die vergangenen
Hals über Kopf verlassen: eine ökologische Zeitbombe mitten in HemelingenFoto: taz
zwei Jahre genutzt, um seine Firmengruppe so umzustrukturieren, daß für die mit Sicherheit ettliche Millionen Mark teure Sanierung des Giftgrundstücks zunächst nur noch eine Briefkastenfirma zuständig ist. Um Dittrich selber für die Altlasten der Produktion haftbar zu machen, mit der seine Familie in Bremen reich geworden ist, wird womöglich ein langwieriger Rechtsstreit geführt werden müssen.
30 Prozesse um vorenthaltenen Lohn
Davon können sieben ehemalige Molan-Beschäftigte ein Lied singen, die seit der Einstellung der Hemelinger Schaumstoff-Produktion 1991 in inzwischen 30 Prozessen um ihr Recht kämpfen. Obwohl ihr Anwalt vor Gericht in letzter Instanz bestätigte Lohnnachforderungen in Höhe von 218.000 Mark erstritten hat, haben sie bis heute keinen Pfennig davon gesehen. Und auch das Verfahren um weitere 320.000 Mark, die den Ex-Molan-Mitarbeitern eigentlich aus einem Sozialplan zustehen müßten, ist im Dickicht der Dittrich-Firmen festgefahren.
Durch die Umstrukturierungen erklärt sich inzwischen eine „M+M Produktionsgesellschaft“ zuständig für die Lohnforderungen aus der aufgegebenen Schaumstoffproduktion. Klaus- Jürgen Dittrich und sein Vater Erich haben sich formal aus dieser Firma zurückgezogen, sie firmiert allerdings unter der glei
hier bitte das
verfallene Büro
chen Mahndorfer Anschrift wie das Stammhaus „Molan“. Ob dieser Umbenennungs-Trick legal war, prüft zur Zeit die Staatsanwaltschaft, nachdem einer der früheren Beschäftigten Strafanzeige erstattet hat.
Mit einem ähnlichen Trick wie er sich den Ansprüchen der Menschen entzogen hat, die im Durchschnitt 26 Jahre lang in giftigen Dämpfen für seine Firma gearbeitet hatten, könnte Dittrich auch versuchen, sich der Verantwortung für die ökologische Altlast auf seinem Firmengrund
stück zu entledigen. Eine Vorahnung hat das Wasserwirtschaftsamt davon bereits bekommen, als es Dittrich aufforderte, doch zumindest die alten Giftfässer vom Grundstück zu schaffen. Prompt wurden daraufhin die „Chemikalien unklaren Inhalts“ zum „Wirtschaftsgut“ erklärt. Behörden- Mitarbeiterin Maahs: „Dadurch hatten wir keine Möglichkeit mehr, die Firma zu zwingen, die Fässer abzutransportieren.“
Zu befürchten ist sogar, daß am Ende nicht etwa die Chemiefirma, sondern Bremens Steuerzahler für die Sanierung des Giftgrundstücks aufkommen müssen. Bereits 1985 nämlich hat die Bürgerschaft den Ankauf des Hemelinger Molan-Geländes beschlossen. Dieser Kauf — eine indirekte Subvention der Chemie- Firma — ist allerdings bis heute noch nicht im Grundbuch verzeichnet. Der Grund dafür scheint ein Vorbehalt im Kaufvertrag zu sein, über den die Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft auf Nachfrage jede Auskunft verweigert. Hemelingens Ortsamtsleiter Rissland befürchtet denn auch, „daß der Vertrag damals ganz schlecht gemacht worden ist“.
Sicher ist nur, daß alle Versprechungen, die 1985 im Zusammenhang mit dem subventionierten Molan-Umzug von Hemelingen nach Mahndorf gemacht worden waren, nicht eingehalten wurden. Weder wurde die Belegschaft um 200 Mitarbeiter vergrößert, noch konnte sich die benachbarte Coffein Compagnie auf dem vergiftet brachliegenden Molan-Grundstück erweitern.
Firmen-Chef Dittrich hat die Schaumstoffherstellung in Bremen ganz aufgegeben. Den Rohstoff für seine Produkte importiert er nun aus dem Osten. Und dort soll er auch kräftig investiert haben — z.B. in eine Munitionsfabrik. Eine Stellungnahme war von ihm nicht zu bekommen. Sein Sekretariat teilte lediglich mit, Dittrich sei „nicht bereit, der taz irgendwelche Informationen zu geben.“ Dirk Asendorpf
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