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Vorschlag

■ Hank Williams im Film

Es war der Neujahrsmorgen 1953, auf irgendeinem Highway in West Virginia. Auf Platz Eins der Billboard-Charts steht „I'll never get out of this world alive“. Der Schreiber und Sänger dieser Zeilen wird diese Nacht nicht überleben. Hank Williams stirbt offiziell an Herzversagen. Inzwischen ranken sich Gerüchte selbst um die Farbe des Cadillac, in dessen Fond der größte Revolutionär der Countrymusik sein Ende fand. Die Tatsache blieb, Hank Williams war tot, und mit ihm der Mann, der aus Country mehr als nur romantische Schnulzenjodelei gemacht hatte. Er war der Mann, der darüber sang, was sein Publikum selbst erlebt hatte, den Knast, das Saufen, die Schlägereien, über Knarren und Liebe und selbst übers Essen wie in „Jambalaya“. Er gab C&W, was Woody Guthrie zuvor dem Folk gegeben hatte, und er lebte das verfluchte und geliebte Hillbilly-Leben selbst so intensiv, daß er gar nicht älter werden konnte als eben jene 29 Jahre.

Noch heute verdient seine Familie an ihm 100.000 Dollar Tantiemen im Jahr, noch heute fühlt sich fast jeder ernstzunehmende Country-Interpret von ihm beeinflußt und hat auch gleich sein Drogenproblem mitgeerbt, auch wenn die Pillen und das Bier inzwischen mit Kokain angereichert werden. Und heute noch repräsentiert Hank Williams wie kein zweiter die Zerrissenheit des ländlichen, weißen Amerika, zwischen Katholizismus und Wahrhaftigkeit, zwischen dem idealisierten Amerika und dem real existierenden Stumpfsinn des Dorfdaseins. Sich solch einem Mann zu nähern, zu dringen durch das Dickicht aus Anekdoten und Legenden, ist nahezu unmöglich, aber Wolfgang Büld hat es trotzdem versucht. Vielleicht hatte er bessere Chancen als andere, weil er, wie er selbst sagt, nie ein USA-Fan war, ja nicht einmal das Bedürfnis verspürte, dorthin zu reisen, und deshalb jenen allamerikanischen Mythen, die durch Film, TV, Musik, Kunst und Konsum längst unsere eigenen geworden sind, besser zu widerstehen in der Lage war. Büld, der studiert hat an der HFF in München, hat eine obskure Doppelkarriere hinter sich. Auf der einen Seite drehte er kleine, stille Musikdokumentationen und ein Fernsehspiel für das ZDF („Brennende Langeweile“), auf der anderen – man möchte ihm zugute halten, aus rein finanziellen Gründen – Spielfilme wie „Gib Gas – Ich will Spaß“, „Manta Manta“ oder „Das war der wilde Osten“.

Die Erzählungen der Begleitband changieren zwischen rustikalen Anekdoten aus den Honky Tonks in South Alabama, in denen Williams Karriere begann, und anrührend gefühligen Momenten. Büld macht nicht den Fehler, Williams Songs nur kurz anzureißen und sie als Soundtrack zu mißbrauchen. „I'm so lonesome I could cry“ und „I saw the light“ spielt er meist ganz aus und überfrachtet sie auch nicht mit klischeehaften Bildern. Andere Songs werden von Verehrern wie Townes van Zandt interpretiert. Damit zeigt Büld, welche Wertschätzung dieser Mann vierzig Jahre nach seinem Tod immer noch erfährt und verdient, eindringlicher, als es jedes Kritikerstatement könnte. Thomas Winkler

Ab 12.8. im Eiszeit, Zeughofstr. 20, Kreuzberg

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