: Scientology bittet Moslems um Geld
SPD-Politikerinnen warnen vor Gaben für die dubiose „Friedensbewegung“ für Bosnien / Hamburger CDU-Abgeordnete von der Sekte zur „Persona non grata“ erklärt ■ Von Frank Nordhausen
Berlin (taz) – Seit Juni versucht eine ominöse „Friedensbewegung Europa, Aktionsbündnis Bosnien- Herzegowina“, Einfluß auf die Friedensbewegung für das ehemalige Jugoslawien zu gewinnen. Dieses „Aktionsbündnis“ ist offenbar nichts anderes als eine neue Tarnorganisation der berüchtigten Scientology-Sekte (siehe taz v. 27.7.1993). Die sekteninspirierte „Friedensbewegung“ soll in letzter Zeit gezielt in Flüchtlingsheimen und islamischen Gemeindezentren der Bundesrepublik um Spenden geworben haben. Aus diesem Anlaß warnen SPD-Politikerinnen vor der Organisation.
Die „Friedensbewegung“ ist ein Ableger der „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V.“, die wiederum 1972 von der Scientology gegründet wurde. Sie erklärt in Flugblättern oder in der Scientology-Zeitschrift Neue Zivilisation, daß der Krieg in Bosnien-Herzegowina „auf Initiative von serbischen Psychiatern entfacht“ worden sei; die Psychiatrie sei schuld am Völkermord an den Moslems. Neue Verpackung für einen alten Hut: der Psycho-Kult führt seit seiner Gründung 1954 einen verbissenen Krieg gegen die Psychiater.
Da sie den Eindruck heftiger Aktivität erwecken, haben die Scientologen offensichtlich leichtes Spiel bei ihrem neuesten Infiltrationsversuch. Sie veranstalten zahlreiche Demonstrationen gegen den Krieg in Bosnien und reiten verbalradikale Attacken gegen Serbien, die UNO und die angebliche Weltverschwörung der Psychotherapeuten. Jetzt sprechen sie offenbar auch gezielt die in der Bundesrepublik lebenden Moslems an und appellieren an ihr Mitgefühl für die bosnischen Glaubensgenossen.
Aus diesem Anlaß warnen die SPD-Politikerinnen Renate Rennebach und Carla Bregenzer sowie Ursula Caberta, die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology in der Hamburger Innenbehörde, die Islamische Gemeinde in Deutschland vor den Aktivitäten des sektengesteuerten „Aktionsbüros“. In einem offenen Brief schreiben sie, die „Friedensbewegung“ versuche offebar wie andere Scientology-Tarnorganisationen, „unter dem Deckmantel sozialen Engagements Menschen für ihre totalitäre Ideologie zu ködern“. Die Autorinnen raten dringend davon ab, an die Sektenorganisation zu spenden, da die eingezahlten Gelder „nicht den Menschen im Kriegsgebiet zugute kommen werden, sondern letztlich nur der Scientology dienen.“
Kritische Presseberichte über die „Friedensbewegung“ haben die Jünger des amerikanischen Science-fiction-Propheten L. Ron Hubbard allerdings mächtig aufgescheucht. Nachdem die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Antje Blumenthal (CDU) am 30. Juli eine kleine Anfrage über Ziele und Methoden der „Friedensbewegung“ an den Senat gerichtet hatte, versuchten sieben Anhänger des Vereins, sie dazu zu bewegen, ihre Anfrage zurückzuziehen. Die Friedensaktivisten besuchten sie reichlich zudringlich an ihrem Arbeitsplatz, angeblich, um sie „korrekt zu informieren“. Antje Blumenthal: „Sie wollten unbedingt mit mir diskutieren und sind der Aufforderung, das Zimmer zu verlassen, nicht gefolgt. Ich bin daraufhin ins Nebenzimmer gegangen und habe einfach die Tür hinter mir zugeschlossen.“
In einer öffentlichen Erklärung drohte ihr daraufhin die „Friedensbewegung“ bzw. deren Pressesprecher Trepping: „Wenn sie nicht zur Besinnung kommt, muß sie als Mitangeklagte vor das UN-Kriegsgericht gestellt werden.“ Die Scientology-Niederlassung in Hamburg setzte dieser Posse noch eine Spitze auf. In einem „Beschluß“ vom 8. August heißt es wörtlich: „Hiermit wird die Bürgerschaftsabgeordnete Antje Blumenthal von der Scientology Kirche Hamburg e.V. zur ,Persona non grata‘ erklärt.“ Begründung: Die Abgeordnete habe durch ihre kleine Anfrage „aktiv den Einsatz gegen den Krieg und für den Frieden in Bosnien unterminiert“. Was die Scientologen einer „Persona non grata“ alles an den Hals wünschen, kann man in den Schriften ihres verblichenen Gurus L. Ron Hubbard nachlesen: „Man darf ihr Eigentum abnehmen, sie in jeder Weise verletzen, ohne daß man von einem Scientologen bestraft wird. Man darf ihr Streiche spielen, sie verklagen, sie belügen oder vernichten.“ Antje Blumenthal sieht darin den Beweis, daß das „Mäntelchen der Nächstenliebe in dieser Friedensbewegung nur Tarnung“ ist: „Das, was die Scientologen hier machen, entspricht genau der Lehre L. Ron Hubbards, wie mit dem Feind umzugehen ist. Ich soll offenbar kaputtgemacht werden.“
Der Hamburger Senat will, wie epd ergänzend meldet, gegen die „Friedensbewegung Europa“ und das von ihr betriebene „Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina“ keine rechtlichen Maßnahmen einleiten. Die bloße Zugehörigkeit von Einzelpersonen oder Gruppen zur Scientology-Organisation sei kein Rechtsgrund für entsprechende Maßnahmen, heißt es in einer Senatsantwort auf die Anfrage von Antje Blumenthal (CDU). Die enge Verbindung zwischen „Friedensbewegung Europa“ und Scientology sieht der Senat durch Veröffentlichungen in der Scientology-Zeitschrift Neue Zivilisation jedoch als gegeben an.
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