: Ermittlungen gegen GSG-9-Beamte
■ Sechs Wochen nach Bad Kleinen gibt es für die Staatsanwälte endlich zwei tatverdächtige Polizisten
Berlin (taz) – Gut sechs Wochen nach der Polizeiaktion von Bad Kleinen stehen jetzt zwei GSG-9-Beamte unter Verdacht, das mutmaßliche RAF-Mitglied Wolfgang Grams durch einen Kopfschuß getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Schwerin bestätigte gestern Informationen des ARD-Magazins Panorama, wonach gegen die beiden Beamten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Oberstaatsanwalt Ernst Jäger erklärte gestern, die Todesumstände seien weiter unklar. Die Eltern von Grams hätten bereits am 1. Juli Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Ihr Rechtsanwalt habe später diejenigen Beamten beschuldigt, die als erste an Grams herantraten, als er bereits auf den Gleisen lag. „Diese beiden Beamten sind jetzt ermittelt.“
Laut Informationen von Panorama haben die beiden Beamten bei den vorausgegangenen Vernehmungen teilweise „objektiv falsch“, teilweise „widersprüchlich“ über die mißglückte Verhaftungsaktion ausgesagt. Vor allem der als Todesschütze hauptsächlich in Frage kommende Beamte „Nummer 6“ habe Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit genährt. Bei Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesanwaltschaft habe er zunächst angegeben, mitten auf dem Bahnsteig stehend auf Grams geschossen zu haben. Aus dieser Position hätte er jedoch die Todesumstände sehen müssen. Nach einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft und einer Rekonstruktion vor Ort habe der Beamte dann ausgesagt, hinter einem Stützpfeiler Deckung gesucht zu haben, von wo aus er den Tod von Wolfgang Grams nicht habe beobachten können. Später habe er den auf den Gleisen liegenden Grams gemeinsam mit einem anderen Beamten lediglich „gesichert“.
Neue Zweifel an der These, Wolfgang Grams habe sich selbst getötet, nährt auch der inzwischen überarbeitete Zwischenbericht zu Bad Kleinen, den die Bundesregierung am Mittwoch dem Innen- und Rechtsausschuß des Bundestages vorlegen will. Nach Panorama-Informationen gibt vor allem die Lage von Grams' Waffe weiter Rätsel auf. Seine rechte Hand habe hinter dem Rücken gelegen, seine Pistole dagegen vor dem Gesicht „in der Nähe seiner linken Hand“. Als Rechtshänder kann sich Grams jedoch, so argumentiert Panorama, nur – wenn überhaupt – mit der rechten Hand erschossen haben.
Als Hauptschuldigen für Kommunikationsprobleme bei der nachträglichen Wahrheitssuche nenne der Entwurf des Regierungsberichts den Abteilungsleiter „Terrorismusbekämpfung“ beim Bundeskriminalamt, Rainer Hofmeyer. Er sei bei der Aktion in Bad Kleinen oberster Polizeiführer gewesen. Hofmeyer habe die Zeugenaussage der Kiosk-Beschäftigten, die Grams' Tötung durch GSG-9-Beamte aus nächster Nähe bekundet habe, tagelang nicht weitergeleitet. Auch die Lübecker Obduktionsbefunde über den bei Grams festgestellten „aufgesetzten Kopfschuß“ habe er zunächst zurückgehalten.
Nicht erwähnt wird in dem Regierungsbericht, daß der GSG-9-Trupp angewiesen war, die Festnahme durch eine Überrumpelung ohne Waffen vorzunehmen. Deshalb verfolgte der getötete Beamte Newrzella Grams, ohne seine Waffe zu ziehen, berichtet Panorama.
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