: Abgas-Menü für Bakterien
■ Bioreaktoren sollen die Abluft der vierten Elbtunnelröhre reinigen / Forschungsprojekt ist bereits angelaufen
Bakterien, die Auspuff-Gifte killen? Die Baubehörde sagt ja. Mit Bioreaktoren voller schadstoffressender Mikroorganismen will sie in naher Zukunft Abgas-Schadstoffe im Elbtunnel filtern. Im Oktober startet das erste Pilotprojekt.
Heute entweichen bis zu 1,5 Millionen Kubikmeter Abgas-Luft pro Stunde über die Lüftung und die Einfahrten aus den Elbtunnel-Röhren – bislang ungereinigt. Die Folge: Othmarschen und andere an den Tunnel angrenzenden Wohngebiete werden mit dem Schadstoffcocktail aus der Elbunterführung belastet.
Das Prinzip ist ganz einfach
„Es gibt bislang weltweit keine Filtersysteme für schwachbelastete, großvolumige Abluftströme“, klagt Baudirektor Rolf Bilecki. Um das zu ändern, initiierte die Baubehörde 1991 ein Forschungsprojekt. Das Ziel: Abluft-Reinigung durch Mikroorganismen. Für die Entwicklung des Biofilters spendierte das Bundesforschungsministerium 3,5 Millionen Mark, die Baubehörde steuerte weitere 1,5 Millionen bei. Mit Erfolg: Im Labor schnappen sich die Bakterien bereits eifrig Stickstoff- und Kohlenmonoxid sowie Kohlenwasserstoffe aus der Luft.
Ende Oktober soll ein entsprechendes Pilotsystem in einer kleinen Halle am südlichen Elbrand installiert werden. Hier sollen vorerst stündlich 3.000 Kubikmeter, etwa 0,2 Prozent der Tunnel-Abluft, gereinigt werden. Das Prinzip ist einfach: Die ForscherInnen des Flottbeker Instituts für Allgemeine Botanik entdeckten und vermehrten Bakterien, die fleißig Stickstoffmonoxid (NO) aus der Luft filtern und in Eiweiß umwandeln. Die Mikroorganismen sollen in einem „Biomembranreaktor“ mit einer Lösung ernährt werden, in der alles steckt, was sie zum Leben so brauchen – mit Ausnahme von Stickstoff. Wird nun die abgasgetränkte und vorgereinigte Luft langsam durch den Mini-Reaktor geleitet, soll sich ihr Stickstoffmonoxid-Gehalt um mehr als die Hälfte reduzieren.
Die Göttinger „Wisstrans-Umwelt GmbH“ hat darüberhinaus Bakterien entdeckt, die Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe aus der Abluft filtern. Neben dem Membranreaktor soll in dem Pilotprojekt auch ein mit Kokosfaser- und Baumrindenkompost gefüllter „Festbettreaktor“ getestet werden, in dem die schadstoffvertilgenden Mikroorganismen ebenfalls einen idealen Nährboden finden.
Spielen die Bakterien mit?
„Was unter Laborbedingungen klappt, muß im Elbtunnel nicht genauso funktionieren“, dämpft Rolf Bilecki übertriebene Erwartungen: „Wir sind noch bei der Grundlagenforschung“. Zudem sei „noch unklar“, ob eine bakterielle Filteranlage „betriebswirtschaftlich machbar“ sei, die stündlich 300.000 Kubikmeter Abluft reinigt.
Frühestens ein Jahr nach Beginn des Pilotprojektes dürfte sich abzeichnen, ob eine der Varianten des Biokatalysators praktikabel und finanzierbar ist. Spielen die Bakterien und die Preise aber mit, sieht Rolf Bilecki schon neue Einsatzmöglichkeiten für die kleinen Schadstoffvertilger. Auch die Abluft von Fabriken könnte für sie eines Tages zum Festmenü werden.
Marco Carini
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