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GAL im Koalitionstraining

■ Grüne unterziehen sich Crash-Kurs für rot-grüne Ehestandsverhandlungen / Lieblingspartner: Henning Voscherau / Von Florian Marten und Uli Exner

„Sollten wir am Wahlabend die absolute Mehrheit verfehlen, wird uns diese Situation nicht unvorbereitet treffen.“ Alexander Porschke, männliche Speerspitze der grünen BürgerschaftskandidatInnen, konnte sich am Donnerstagabend bei syrischer Mazza und grünem Kiwi-Cocktail einen kleinen Seitenhieb auf die Sozis nicht verbeißen. Anders als Hamburgs Sozialdemokraten, die bislang fest an ihre Berufung ins Kloster der Alleinregierung glaubt (Voscherau: „Rot pur!“) und jedem potentiellen Regierungspartner auch das kleinste voreheliche Küßchen schamhaft verweigern, paukt die GAL schon heute öffentlich Regierungs-Beischlafrecht.

Mit Verblüffung registrierten die Medien, am Donnerstagabend zur Vorpremiere der heißen grünen Wahlkampfphase im Rathaus versammelt, daß sich bei der GAL gegenwärtig tatsächlich fast alles nur um das Eine dreht: Regierungsfähigkeit beweisen, sich detailliert auf den Tanz mit dem Tanker SPD vorbereiten.

Nichts soll dem Zufall überlassen werden, und so geben sich Rotgrün-Experten aller Bundesländer derzeit die GAL-Klinke in die Hand. Hessische Haushaltsgrüne bleuen dem GAL-Gewerkschafterflügel die bitteren Zwänge der heutigen öffentlichen Kassenlage ein, WissenschaftlerInnen referieren vor den Elb-Grünen über „Erfahrungen aus rot-grünen Stadtstaaten“, Minister und Ex-SenatorInnen aus rot-grünen Großstädten und Landesregierungen verabreichen Crashkurse in Sachen Koalitionsverhandlungen.

Ein paar Lektionen Joschka Fischer, drei, vier Bremer Einheiten von Ralf Fücks. Dazu ein Vortrag der Berlinerin Michaele Schreyer zum Thema „Sinnvolle grüne Ressortzusammensetzung“ und Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen.

Derer 18, von „Abfall“ über „Wirtschaft und Hafen“, „Immigranten und Flüchtlinge“ bis hin zu „Verwaltungs- und Verfassungsreform“, sollen Kandidaten, Vorständlerinnen oder einfache Basismitglieder fit machen für möglichen Verhandlungs-Marathon. Und natürlich für den großen Moment, in dem die grüne Spitzenkandidatin, Krista Sager, dem künftigen Senatschef....

Nun, wie der heißen würde, steht angesichts der zur Schau getragenen Grünen-Allergie des derzeitigen Amtsinhabers noch nicht fest. Die GAL jedenfalls, so lassen die Damen und Herren KandidatInnen schon mal durchblicken, könnte sich das durchaus vorstellen mit Henning Voscherau. Besser jedenfalls als mit den als rotgrüne Alternativ-Bürgermeisterkandidaten ins Gespräch gebrachten SPD-Parteilinken Jan Ehlers oder Ortwin Runde. Die, so das grüne Kalkül, wären im Koalitions-Alltag eher unsichere Kantonisten, da sie sich nicht einmal der Mehrheit in der eigenen Partei nicht sicher seien könnten. „Dann lieber einen vom rechten Flügel,“ erklärt ein GALier selbstbewußt, „auf die kann man sich wenigstens verlassen.“

Soviel grüner Übermut ist Krista Sager dann doch schon wieder suspekt. Nichts wie drauf auf die Euphoriebremse: 43 Prozent, so rechnet die grüne Spitzenkandidatin vor, könnten der SPD möglicherweise schon genügen, um auch in den nächsten vier Jahren koalitionsabstinent bleiben zu können. Nämlich dann, wenn FDP, Republikaner und Statt-Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, und die Sozis die Bürgerschaftssitze nur mit GAL und einer schwächlichen CDU teilen müssen.

Dann würden selbst die als grüne Mindest-Zielvorgabe angestrebten 10,4 Prozent – das bisherige GAL-Spitzenergebnis aus dem Jahr 1986 – nicht für den Einzug ins Senatsgemach ausreichen.

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