Schrottreaktor Brunsbüttel wieder vernetzt

■ HEW gab Reparaturforderungen der Kieler Aufsichtsbehörde nach

Seit fast genau einem Jahr liegt das AKW Brunsbüttel wegen schwerer Schäden still. Jetzt soll es repariert werden. Denn im Streit um die Instandsetzung des Atom-Meilers, der im August 1992 aufgrund von Rissen in 237 Schweißnähten abgeschaltet wurde, wollen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) den Reparaturforderungen des Kieler Energieministeriums offenbar nachkommen. Der Grund: Der Stillstand des Reaktors kostet die HEW täglich bis zu 500.000 Mark.

Um die „Schrottmühle Brunsbüttel“ (Ministerpräsidentin Heide Simonis) wieder ans Netz zu bekommen, legte die HEW jetzt ein Instandsetzungskonzept vor, das den Anforderungen der Kieler Überwachungsbehörde weitgehend entspricht. Ursprünglich wollten die HEW die rissigen Austenit-Rohre nur neu schweißen, einige Rohrleitungen ersetzen und in Zukunft die Schweißnähte regelmäßiger prüfen.

Kiel hingegen forderte unter anderem, den anfälligen austenitischen Stahl komplett zu erneuern und das Reaktorwasser-Reinigungssystem weitgehend zu ersetzen – und kam damit offenbar durch. Denn nach Umsetzung des neuen Reparaturkonzepts der HEW ist nach Angaben des Energieministeriums die Wiederinbetriebnahme des Atom-Meilers nur noch ein „formaler Schritt“. Noch in diesem Jahr soll mit der Instandsetzung begonnen werden. Damit ist klar: Die HEW wollen den Reaktor um jeden Preis wieder ans Netz bringen; die Hoffnung vieler Atomenergie-GegnerInnen, ein Weiterbetrieb des AKWs würde sich wegen der hohen Reparaturkosten nicht rechnen, dürfte sich kaum erfüllen.

Doch der HEW droht bereits neues Ungemach. Seit Samstag überprüft die Kieler Atomaufsicht das Innenleben des Kernkraftwerks Krümmel, das über ein baugleiches Rohrleitungssystem wie Brunsbüttel verfügt. Werden auch hier massig Risse in den Schweißnähten entdeckt, dürfte auch Krümmel ei-ne längere Reparaturpause gegönnt werden. Zeit genug, um die Sicherheit des Kernkraftwerkes gründlich zu checken. Denn bis 1995 sollen, das kündigte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis vor wenigen Tagen an, alle drei Atommeiler des Landes einer systematischen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden.

Auf der Grundlage der Kontrollen will die Landesregierung über die „rechtlich möglichen und politisch gebotenen Maßnahmen“ zum Ausstieg aus der Kernenergie entscheiden. Für die Kieler CDU sind diese Pläne hingegen „realitätsfern“. Es sei „unwahrscheinlich“, kritisierte deren Landtagsabgeordneter Klaus Haller, „bei drei unterschiedlichen Kraftwerkstypen Sicherheitsmängel gleichermaßen nachzuweisen, die nicht beseitigt werden können“. Marco Carini