Schlappe Wahlkampf-Nummer

■ Erster Auftritt der Hamburger Polit-Artisten im Zirkuszelt / Platitüden, Geschwafel, ein Pausenclown und ein Tusch   Von Uli Exner

Henning Voscherau, immer eine Spur empfindlicher, zögert einen Moment: „Eigentlich,“ murmelt der vorderste Stimmensammler der SPD, ehe er fast widerwillig die Manege des Zirkus Rinaldo betritt, „eigentlich müßte ich hier draußen bleiben“.

Er sollte recht behalten. Denn während sich Tausende WählerInnen am Samstagabend beim Stadtteilfest am Harburger Außenmühlenteich gegenseitig auf die Füße treten, bleibt Hamburgs wahlkämpfende Politiker-Kaste in dem winzigen Zelt am Rande der Freiluft-Party fast unter sich. Gerademal 250 Zuhörer – Journalisten, Pressesprecherinnen, zwangsrekrutierte Parteimitglieder eingerechnet – haben sich eingefunden zum ersten direkten Wahlkampf-Duell zwischen Voscherau und dessen Pseudo-Herausforderer Dirk Fischer sowie den beiden Möchtegern-Koalitionspartnerinnen Krista Sager und Gisela Wild.

Sie erleben ... zunächst einmal Markus Wegner. Der Ex-CDU-Parteirebell und frisch gewählte Statt-Partei-Chef gebärdet sich schon vor Beginn der Vorstellung wie ein Pausenclown, versucht sich auf jedes Foto zu drängen, setzt sich mit triumphierender Gestik ins Sägemehl und belegt die Konkurrenz mit Schimpfwörtern. Kurz: Wegner ist beleidigt, daß der Veranstalter, die Harburger Anzeigen und Nachrichten, ihn, den erfolgreichen Wahlanfechter, nicht in die Manege geladen haben.

So werden die Leser des Provinzblatts heute nicht erfahren, wie Wegner denn der Armut im Harburger Ortsteil Heimfeld begegnen würde. Sie müssen sich statt dessen begnügen mit: der Fortsetzung des Programms der Sozialen Brennpunkte (Voscherau), der Veränderung der Sozialstruktur (Fischer), dem Nachholen des längst Versäumten (Sager), dem Verzicht auf die Gießkanne (Wild). Antworten, die genauso präzise sind, wie es die erwünschten Kurz-Statements zulassen.

„Was soll das denn konkret heißen“? Die ungeliebte Standard-Nachfrage trifft an diesem Abend die bei ihrem ersten großen Wahlkampfauftritt übernervöse FDP-Spitzenkandidatin Gisela Wild. Die Hamburg-Politik-unerfahrene Rechtsanwältin nestelt fahrig am weißen Jackett, sucht vergeblich nach Worten, rettet sich schließlich in eine Platitüde (“einfach Ordnung schaffen“) und erntet vom ohnehin nicht gerade FDP-freundlichen Premierenpublikum das vernichtende Urteil: „Geschwafel“.

Wild, von ihren Beratern und Parteifreunden offenkundig schlecht vorbereitet, verläßt den Zirkus Rinaldo als Verliererin des Abends, mit knappem Vorsprung vor Dirk Fischer. Der blasse CDU-Kandidat versucht nicht einmal, den Eindruck zu erwecken, als wolle er Henning Voscherau ernsthaft den Chefsessel streitig machen.

Leicht vorgebeugt, den Oberlippenbart mehr traurig als skeptisch nach unten gezogen, hockt er bullig auf seinem Bistrostühlchen, scheint die Sägespäne zu zählen und überläßt GALierin Krista Sager (diszipliniert bis ins letzte Knopfloch) den Part der Voscherau-Kontrahentin. Selbst seine Vorzeige-Nummern – innere Sicherheit, Wohnungsbau – präsentiert Fischer, als befände er sich nicht in der Wahlkampfarena, sondern in Voscheraus Staatsräterunde. Erste Abwanderungsanzeichen in der kleinen Freiwilligen-Abteilung des Publikums.

Zum wiederholten Male muß das „Ende der Fahnenstange“ herhalten, um den Zustand der Hamburger Politik zu beschreiben. Da beendet Henning Voscherau für einen Augenblick seinen Hader, im falschen Moment am falschen Platz zu sein. Der Senatschef richtet, die Kräfteverhältnisse sicher taxierend, seine einzige heftige Attacke gegen die GAL: „Dieser Quatsch,“ poltert er plötzlich los, als Sager zum Standard-Vortrag gegen Elbvertiefung und Hafenerweiterung ansetzt, „ich werde keinen Tag meiner Amtszeit verantworten, daß mit ihnen auf diesem Sektor vier Jahre Stillstand herrscht.“ Und Tusch.