: Rechte „Heß-Pilger“ linken Polizei
Trotz eines Großaufgebots von Polizei und BGS konnten Alt- und Neonazis in Fulda nach einer Odyssee durch vier Bundesländer eine „spontane“ Heß-Demonstration abhalten ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Wunsiedel/Bischofferode/ Fulda (taz) – Als den „größten flächendeckenden Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik“ bezeichnete ein Polizeisprecher in Bischofferode das Aufgebot von 5.000 Polizisten und Bundesgrenzschützern, die am Samstag alleine in Thüringen aufgeboten waren, um den diesjährigen „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ der Alt- und Neofaschisten zu verhindern. Wieviele Beamte außerdem noch in Bayern, Sachsen und Hessen bei 30 Grad im Schatten Parkplätze und Autobahnabfahrten, Raststätten und mögliche Ziele nationalistischer Wallfahrer – etwa den Kyffhäuser – einen Tag lang „besetzt“ hielten, war dagegen nicht exakt zu recherchieren: Knapp 10.000 Uniformierte seien wohl bundesweit mobilisiert worden, schätzte ein niedersächsischer Verfassungsschützer im Lagezentrum in Bischofferode: „Wir haben hier alles im Griff.“
„Im Griff“ hatten Polizei und BGS die Lage tatsächlich: in Bayern, Sachsen und Thüringen. Doch in Hessen war dann Schluß mit der eindrucksvollen Demonstration staatlicher Macht. Die „Blamage von Rudolstadt“ (O-Ton Polizei), wo im vergangenen Jahr knapp 2.000 Rechtsradikale unter Polizeischutz für Heß auf die Straße gegangen waren, wiederholte sich am Samstag in der osthessischen Bischofsstadt Fulda. Wieder unter Polizeischutz hielten knapp 500 Rechtsradikale auf dem Domplatz am späten Nachmittag eine Kundgebung für den „Friedensengel“ (NPD) Rudolf Heß ab und zogen anschließend durch die Innenstadt.
Die Polizei hatte sich darauf beschränkt, eine Auseinandersetzung zwischen Antifaschisten und Rechtsradikalen in der auch von ausländischen Touristen stark frequentierten Domstadt zu verhindern. Busse mit Antifaschisten aus Norddeutschland wurden am Stadtrand von Fulda aufgehalten – während die Rechtsradikalen mit Christian Worch aus Hamburg an der Spitze bereits die FAP- und Reichskriegsflaggen schwenkten. Als es am Rande des Aufmarsches der Rechtsradikalen dann doch zu Rangeleien zwischen Autonomen und Faschisten und zwischen Autonomen und der Polizei kam, drängten gut ausgerüstete Hundertschaften die Skinheads und Braun- und Schwarzhemden zurück zu ihren Bussen und Privatfahrzeugen. „Nach Franken“, hieß am Abend die Parole bei den Alt- und Neonazis.
Angefangen hatte alles am frühen Vormittag im ostbayerischen Wunsiedel. Um einen Aufmarsch der Faschisten am Grab von Rudolf Heß zu verhindern, hatte die Polizei die Kleinstadt schon in der Nacht abgeriegelt. Alle Zufahrtsstraßen nach Wunsiedel waren gesperrt – bis auf eine: Und dort standen Polizisten in voller Montur und kontrollierten alle Fahrzeuge. Auch in Wunsiedel selbst hatten Polizeibeamte den Friedhof umstellt und bewachten das Landratsamt und eine Festhalle. Daß es in Wunsiedel für die Rechtsradikalen kein Durchkommen geben würde, war dem „Heß-Komitee“ mit Worch als diesjährigem Organisator – nach Rücksprache mit „Kameraden“ aus der Region – noch in der Nacht zum Samstag klar geworden. „Nach Bischofferode“ hieß die neue Losung. Mit insgesamt vier großen und vier kleinen Bussen und etwa 50 PKW versuchten die Rechtsradikalen den Landkreis Worbis in Thüringen anzufahren. Um Spontandemonstrationen enttäuschter „Wunsiedel-Pilger“ zu verhindern, hatte die Polizei entlang der Autobahnen Nürnberg-Berlin und Dresden-Eisenach Park- und Rastplätze sowie Autobahnabfahrten besetzt. Beamte aus Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Thüringen legten bis gegen Mittag zwei „Kontrollringe“ um den Landkreis Worbis und die Gemeinde Bischofferode. An mehreren Kontrollstellen kam es zu insgesamt 27 vorübergehenden Festnahmen, vor allem von Skinheads. Die Polizei beschlagnahmte „Schlagwerkzeuge“ und rechtes Propagandamaterial.
In Bischofferode selbst hatte die Polizei ein Lagezentrum eingerichtet und das Kaliwerk – zusammen mit den Besetzern – „besetzt“. Betriebsräte und Hungerstreikende in Bischofferode verwahrten sich gegen den Versuch der Rechtsradikalen, ihren Kampf um den Erhalt der Kali-Grube zu Propagadazwecken zu mißbrauchen.
Die Rechtsradikalen auf Odyssee sammelten sich dann am Nachmittag auf einem Parkplatz bei Kassel, nachdem Versuche, nach Leipzig zu gelangen, von der Polizei vereitelt worden waren. Von Kassel aus fuhr der Konvoi mit den knapp 500 Rechtsradikalen dann in Richtung Osthessen – immer begleitet von Polizeifahrzeugen. Daß die Rechtsradikalen in Fulda doch noch ihren „Heß-Gedenkmarsch“ durchführen konnten, hat nicht nur bei den Antifaschisten aus Norddeutschland für Empörung gesorgt, die den FAP-Bussen hartnäckig gefolgt waren. Anstatt die Busse und PKW der Rechten „herauszuziehen“ und so die Veranstaltung zu verhindern, habe man den Konvoi in die Stadt fahren lassen, monierte ein Sprecher des Bundesweiten Antifaschistischen Aktionsbündnisses. Auch der Pressesprecher der Stadt Fulda, Klaus Krolopp, machte der Polizeiführung schwere Vorwürfe. Eine solche Demonstration, so Krolopp, hätte die Stadt „niemals genehmigt“. Die „Spontandemonstration“ (Polizei) der Rechtsextremisten, der – um die Diktion der Polizei aufzugreifen – eine „Spontankundgebung“ vorausgegangen war, wurde von Hunderten von Touristen vor allem aus den Niederlanden und Großbritannien beobachtet. Der grüne Landtagsabgeordnete Fritz Hertle aus Fulda kündigte ein politisches Nachspiel zu den „unverständlichen Vorgängen“ in Fulda an.
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