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■ Gesetz der Zögerlichkeit„Schwere Jahre“

Der republikweite Aufschrei über die Schließung des Schiller Theaters dürfte im Streichkonzert, das in den kommenden Jahren für das Land Berlin auf dem Programm steht, nur die Ouvertüre gewesen sein. Wenn Finanzsenator Elmar Pieroth gestern erklärte, daß auf Berlin sicherlich schwere Jahre zukommen werden, kann man dies getrost als bewährten pfälzischen Euphemismus einstufen. Wohl wissend, auf welch verfassungsrechtlich dünnem Boden sich der Haushaltsentwurf für 1994 bewegt, muß der Senat die mittelfristige Finanzplanung einem einzigen Ziel verschreiben: Oberste Maxime ist, die horrende Nettoneuverschuldung zu reduzieren. Mit Ausnahme der bereits bekannten Sparmaßnahmen hatte der Finanzsenator jedoch nur Wolkiges vorzutragen. Wie im (Wahl-)Jahr 1995 weitere drei Milliarden Mark eingespart werden sollen, bleibt vorerst offen und gehorcht dem Gesetz der Zögerlichkeit, mit dem die Große Koalition Haushaltsplanung allenfalls als Klientelbedienung betreibt. Die „tiefen Schnitte“, die vor allem dem ehemaligen Subventionsparadies Westberlin zugemutet werden müssen, um die Sanierung des Ostens zu bezahlen, sind – das Beispiel Schiller Theater illustriert das – vor allem in der CDU-Wählerschaft unpopulär. Es mag die Regierung trösten, daß auch die derzeitige Opposition keine Konzepte aufzuweisen hat und sich glücklich schätzen kann, den rigiden Sparkurs nicht verantworten zu müssen. An der katastrophalen Haushaltslage ändert das nichts. Spätestens wenn 1995 etwa weitere unrentable Theater geschlossen werden, werden die Berliner „schmerzlich“ begreifen, was ihnen bevorsteht. Schwere Jahre, euphemistisch gesprochen. Kordula Doerfler

Siehe Bericht auf Seite 18

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