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Schunkelnde Bischöfe Von Andrea Böhm

Es war ein Bild für die Götter. Alte, mehr oder weniger rüstige Bischöfe wippten und schunkelten im Takt, während zu den Klängen peppig-poppiger Gitarrenmusik die Gläubigen zwischen den Kirchenbänken tanzten. Solche Bilder ist man aus schwarzen Gottesdiensten gewohnt oder vielleicht vom Evangelischen Kirchentag in deutschen Landen, doch hier handelt es sich um leibhaftige katholische Würdenträger bei dem Versuch, anläßlich des Tages der katholischen Weltjugend in Denver Kontakt zu derselben aufzunehmen. Times are changing, auch in der katholischen Kirche. Vor allem, wenn ihr, wie in den USA, die Gläubigen abhanden kommen und katholische Priester und Nonnen im übertragenen Sinne Nachwuchssorgen plagen.

Nun hatten es die Katholiken im Land der Puritaner immer schon schwer. Mit antikatholischen Hetzschriften ließ sich Mitte des letzten Jahrhunderts viel Geld verdienen. Bücher mit Titeln wie „Die fürchterlichen Enthüllungen aus dem Hotel Dieu Convent: Die Geheimnisse der schwarzen Nonnen gelüftet“ verkauften sich so gut wie heute Stephen Kings Horrorromane. Und als mit John F. Kennedy erstmals ein Katholik zum Präsidenten gewählt wurde, mußte der mehrfach versichern, daß man auch mit einer solch dubiosen Konfession gut regieren kann.

In Denver versuchte die Kirche, sich zu verjugendlichen. Was nun in dem Land, wo die Adoleszenz vergöttert wird, so schwierig nicht sein sollte. Es sah dann auch recht harmonisch aus: die schunkelnden Bischöfe und die tanzenden Kids, die ihrem Glauben oft mit einer Kombination aus Kommerz und Flapsigkeit Ausdruck verliehen. T-Shirts mit Aufschriften wie „I survived Catholic school“ oder eine Mitra aus Schaumstoff anstelle der Baseballmütze gehörten zum beliebten Outfit in Denver.

Bei allem gottesfürchtigen fun, das in der letzten Woche die Stadt am Fuß der Rocky Mountains überzog – das Problem des wachsenden Zerwürfnisses zwischen dem Hirten und seiner Herde war nicht zu übersehen. Zum einen mußte der Vatikan zur Kenntnis nehmen, daß das Image der katholischen Kirche in den USA alles andere als unbefleckt ist, seitdem in den letzten beiden Jahren immer wieder katholische Priester wegen sexuellen Mißbrauchs jugendlicher Gemeindemitglieder in die Schlagzeilen gerieten. Zum anderen konnte sich der Papst auch in Denver nicht dazu durchringen, den Inhalt seiner Predigten etwas zu verjugendlichen: Das kirchliche Verbot von Verhütungsmitteln halten viele Katholiken in den USA für weltfremd – abgesehen davon, daß sie sich nicht daran halten. Und mit der Behauptung, Abtreibung gehöre zusammen mit dem Völkermord in Bosnien in die neue „Kultur des Todes“, kann Papst Johannes Paul II. vielleicht ein paar Fundamentalisten aus dem evangelikalischen Lager zum Übertritt ermuntern, die Nachwuchsprobleme der katholischen Kirche in den USA wird er damit nicht lösen. Den Weltjugendtag als „katholisches Woodstock“ zu bezeichnen erscheint dann doch etwas vermessen. Das kann auch die Müllabfuhr in Denver bestätigen. Katholiken machen ihren Dreck selber weg, Jimi-Hendrix- Fans nicht unbedingt. Dafür war die Musik in Woodstock besser.

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