SPD: Ökosoziale Arbeit für alle!

Die Umweltgruppe der SPD-Fraktion will in der Wirtschaft Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und Naturzerstörung überwinden / Kernpunkte fürs SPD-Wahlprogramm vorgestellt  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Das Programm klingt gut. „Die Überwindung von Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und Naturzerstörung ist möglich. Wir sind bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen“, schreibt die Umweltgruppe der Bonner SPD-Fraktion. Kernpunkte davon wird sie jetzt ins SPD-Wahlprogramm einarbeiten, verkündete Fraktionschef Hans-Ulrich Klose gestern in Bonn.

Ob das Traktat das chlorfrei gebleichte Papier wert ist, auf dem es steht, werden allerdings nicht allein die WählerInnen im Herbst 1994 entscheiden, sondern auch die SPD-Altgardisten mit ihren Lobbyinteressen. „In der Fraktion“, beteuerte gestern der umweltpolitische Sprecher Michael Müller, „ist das Programm auf viel Zustimmung gestoßen“.

Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung hat errechnet, daß allein in Westdeutschland Umwelt- und Gesundheitsschäden die Volkswirtschaft jährlich 610 Milliarden Mark kosteten; nur lächerliche 35 Milliarden Mark würden für direkte Umweltinvestitionen ausgegeben, referiert die SPD-Arbeitsgruppe. „Die 610 Milliarden Mark müssen weg“, forderte Müller maximalistisch. Es gelte, „die Karten neu zu verteilen“, damit die natürliche Lebenswelt nicht weiter zerstört und die weltweite Armut nicht weiter wachse. Dazu sei nicht nur eine stärkere Beteiligung derjenigen vonnöten, die heute im politischen System ohne Sitz und Stimme seien, sondern auch eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips und der Produkthaftung.

„Wir streben ein Bündnis zwischen Arbeit und Umwelt an“, heißt es in dem Papier. Langsam steigende Energiesteuern sollen ebenso dazugehören wie die Förderung umweltfreundlicher Techniken und Produkte, die nach SPD-Vorstellung den Export anregen und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen. 40 Milliarden Mark seien auf diesem Feld zu verdienen. Auch die taz-Förderung nach einem Ökosozialprodukt wird aufgegriffen.

Gerade da aber, wo es konkret wird, stellen sich die SPD-Umweltpolitiker Lösungen im EG-Rahmen vor: Die Energiesteuer soll in der Zwölfergemeinschaft zunächst sechs Dollar pro Faß Öl (159 Liter) betragen. Auch die Subventionen für konventionell arbeitende Bauern sollen extrem gekürzt werden – beides Maßnahmen, gegen die die Lobbies in Brüssel extremen Widerstand leisten dürften. Auch der „mittelfristige Ausstieg aus der Atomenergie“ wird neuerlich erwähnt – die Realisierungschancen schon in der eigenen Partei ließen sich bei den Energiekonsensgesprächen bestens studieren.

Verkehrspolitisch plädiert die SPD-Umweltgruppe für Verkehrsvermeidung. Sie will stärker auf die Bahn setzen und ihr Streckennetz ausbauen.

Der Bundesverkehrswegeplan wird „in der vorliegenden Fassung“ abgelehnt, schreibt die SPD- Umweltgruppe – ohne freilich zu erwähnen, daß an seinem Zustandekommen die SPD-regierten Bundesländer fast ebenso stark beteiligt waren wie die mit christlicher Führung. „Wir leiden auch unter den Ländern“, so Fraktionsmann Müller.

Fazit: Die SPD-Umweltgruppe hat Versatzstücke unterstützenswerter ökologischer und ökonomischer Ziele aufgegriffen, die bei politischer Unterstützung aus den eigenen Reihen durchaus zu einem guten Konzept gedeihen könnten. „Es geht um einen Strukturwandel, um einen Aufbruch nach vorn. Die SPD muß eine Fortschrittspartei werden,“ fordert Müller. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.